Während die AfD daran arbeitet, ihre zerstrittene Landtags-Truppe wiederzuvereinigen, bescheinigen drei Professoren den Abweichlern: Ihr sei eine eigenständige Fraktion.

Stuttgart - Zunächst waren viele Abgeordnete guten Mutes gewesen, dass die Zellteilung der AfD nicht zu zwei voll gültigen Fraktionen dieser Partei im Landtag führen werde. Ihr Argument: Zwei Fraktionen reichten aus, um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Es dürfe nicht sein, dass die AfD nach dem Eklat um die antisemitischen Einlassungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon künftig das gesamte Parlament chaotisiere. Den 14 von Jörg Meuthen geführten AfD-Abweichlern wurden daher die einer Fraktion zustehenden Rechte verweigert. Es geht dabei um Geld, aber auch um Redezeit im Plenum und andere parlamentarische Rechte.

 

Ausgerechnet die vom Landtagspräsidium befragten Rechtsexperten kommen nun zu einem ganz anderen Ergebnis. Die drei Professoren Christofer Lenz, Martin Morlok und Martin Nettesheim stellen fest: „Der unter der Bezeichnung Fraktion der Alternative für Baden-Württemberg (ABW) auftretende Zusammenschluss von 14 der AfD angehörenden Abgeordneten ist seit seiner Konstituierung am 6. Juli 2016 eine Fraktion im Sinne von Paragraf 17 der Geschäftsordnung des Landtags. Einer Anerkennung bedarf es nicht.“

Verbot der „Parallelfraktion“ nur mit Rechtsgrundlage

Die Juristen stellen dem Landtag zwar anheim, die Gründung einer „Parallelfraktion“ zu untersagen. Dies gelte aber nur für künftige Fälle. „Eine derartige Rechtsänderung könnte einer bereits existierenden Fraktion den Status nicht entziehen. Sie sollte zum Zeitpunkt des Zusammentritts eines neuen Landtags erfolgen.“ Grundsätzlich berühren sich nach Ansicht der Gutachter zwei Prinzipien: Zum einen versetze das freie Mandat seinen Inhaber in die Lage, sich bei der Fraktionsbildung frei zu entscheiden. Andererseits sei das Parlamentsgeschehen von dem Anliegen geprägt, die „parteipolitischen Kräfteverhältnisse klar, transparent und entsprechend dem Wahlergebnis abzubilden“. An anderer Stelle heißt es in der Expertise allerdings, die Verfassung stelle keinen notwendigen Zusammenhang zwischen Partei, parteizugehörigen Abgeordneten und Fraktion her. Die Autoren ventilieren auch den Unterschied zwischen Fraktionsmehrung und Fraktionsspaltung. Im ersten Fall bilden Abgeordnete ohne jeden inhaltlichen Dissens mehrere Fraktionen, um sich materielle und machtpolitische Vorteile zu verschaffen. Im zweiten Fall gehen sie im Streit um Inhalte auseinander. Für beide Formen finde sich aber aktuell keine rechtliche Grundlage, um einen Fraktionszusammenschluss zu unterbinden.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sieht nun „keinen Hebel mehr, die Neugründung der ABW-Fraktion im Landtag zu missachten“. Sein CDU-Kollege Wolfgang Reinhart hat erheblichen Diskussionsbedarf. Die AfD werde privilegiert, jetzt müsse Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) sagen, wie sie darauf reagiere. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte: „Wir werden die AfD im Landtag weiterhin politisch und inhaltlich stellen – egal unter welchen Namen und in wie vielen Fraktion sie auftritt.“ Über interne Skandale hinaus habe die AfD nichts zu bieten.

Unterdessen gehen in der AfD die Bemühungen weiter, die Spaltung der Landtagsfraktion zu beenden. Bei einem Treffen von Vertretern von 27 der 39 Kreisverbände wurden die Landtagsabgeordneten aufgefordert, sich auf der Basis einer Neugründung der Fraktion zu vereinigen. Wer sich weigere, solle das Mandat niederlegen. Laut Landessprecher Lothar Maier waren nur drei der beteiligten Kreisverbände mit dem Beschluss nicht einverstanden. Jörg Meuthen sagte der „FAZ“, auch er strebe eine Wiedervereinigung an. Für einen Abgeordneten wäre aber in der neuen Fraktion kein Platz mehr: Wolfgang Gedeon, der Ursache, zumindest aber der Anlass für die Spaltung war.