Der langjährige Stuttgarter Baubürgermeister Matthias Hahn hört zum 31. August 2015 auf. Als Favorit für die Nachfolge wird der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold gehandelt.

Stuttgart - Der Bürgermeister für Städtebau und Umwelt, Matthias Hahn, gibt sein Amt vorzeitig zum 31. August 2015 auf. Hahn hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am Donnerstag über seinen Verzicht informiert. Die Amtszeit des 67-Jährigen endet regulär Ende Januar 2016. Der Gemeinderat hatte Hahn am 25. Oktober 2012 zum zweiten Mal in seinem Bürgermeisteramt bestätigt. Die Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers müsse noch vor der Sommerpause erfolgen, teilte die Stadtverwaltung mit. Als aussichtsreichster Kandidat für den Posten gilt der derzeitige Fraktionschef der Grünen, der Architekt Peter Pätzold (46).

 

OB Kuhn sagte zu Hahns Ankündigung: „Heute ist noch nicht der Tag für eine Würdigung der Arbeit des Bürgermeisters, er ist ja noch einige Zeit im Amt.“ Er habe aber in den gut zwei Jahren der bisherigen Zusammenarbeit Hahns außerordentlichen Kenntnisreichtum und das verlässliche Miteinander sehr zu schätzen gelernt. Der Bürgermeister selbst erklärte: „Der Zeitpunkt des Wechsels nach der Sommerpause hat Vorteile. Er ermöglicht einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger noch in die Gestaltung des nächsten Doppelhaushalts einzugreifen.“ Ähnliches gelte auch für die anderen Themen wie die Entwicklung des Rosensteinviertels oder eine mögliche Bauausstellung. Er fliehe nach mehr als 18 Jahren im Amt keineswegs aus dem Rathaus, im Gegenteil: „Die Arbeit für unsere Stadt verschafft mir Befriedigung und macht meistens auch Spaß.“ Dennoch erscheine ihm das Leben außerhalb des Rathaus immer reizvoller und mache ihn neugierig auf anderes. Gesundheitliche Gründe seien für seinen Schritt nicht ausschlaggebend gewesen, betonte Hahn auf Anfrage. Sein Mandat für die SPD im Regionalparlament werde er weiter wahrnehmen.

Zu Beginn der Amtszeit misstrauisch beäugt

Der Jurist war 1980 in den Gemeinderat der Landeshauptstadt gewählt worden. Bis zu seinem Amtsantritt als Bürgermeister im Jahr 1996 vertrat er die SPD-Fraktion im Ausschuss für Umwelt und Technik sowie im Städtebauausschuss und war Sprecher für städtebauliche Fragen. 1992 wurde er Vorsitzender seiner Fraktion.

Hahn hatte es als Baubürgermeister anfangs nicht leicht – aus der Architektenschaft schlug dem „Fachfremden“ durchaus Misstrauen entgegen: Er sei ja „nur Jurist und keiner von uns“, hieß es damals. Alle seine Amtsvorgänger waren schließlich Architekten oder Baumeister gewesen. Doch mit Sachkenntnis und einem gewissen Hang zur Selbstironie erwarb sich Hahn während seiner drei Amtszeiten auch das Vertrauen der arrivierten Stuttgarter Architektenschaft. Andererseits sagt man ihm auch nach, er sei als Bürgermeister eher konfliktscheu gewesen und habe im einen oder anderen Fall zu defensiv agiert, wenn etwa der frühere Rathauschef Wolfgang Schuster und Finanzbürgermeister Michael Föll (beide CDU) mal wieder einen Investor oder ein Projekt aus dem Hut zauberten, ohne Hahn vorab darüber in Kenntnis zu setzen. Auch beim Großprojekt Stuttgart 21, heißt es, habe der dem Projekt durchaus skeptisch gegenüber stehende Hahn fachliche Bedenken schon mal hinten an gestellt. Loyalität nennen das die einen, fehlendes Durchsetzungsvermögen die anderen. Eigentlich hätte Hahn schon nach Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand gehen können, ließ sich dann aber von seiner Partei und Fraktion breitschlagen, nochmals ein paar Jahre dranzuhängen.

SPD akzeptiert Vorschlagsrecht der Grünen

In ersten Reaktionen auf den angekündigten Amtsverzicht äußerte sich CDU-Fraktionschef Alexander Kotz wohlwollend über Hahns Arbeit. Hahn sei „eine langjährige Konstante in Fragen der Stadtplanung und Stadtentwicklung Stuttgarts“, der große Projekte mitbegleitet und mitbefördert habe. Auch SPD-Fraktionschef Martin Körner würdigte den Parteifreund: Dieser habe mit seiner politischen Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, „dass Stuttgart heute so gut dasteht.“ Körner erklärte zugleich, die SPD bestehe nicht darauf, den Posten erneut mit einem Sozialdemokraten zu besetzen: „Wir akzeptieren das Vorschlagsrecht der Grünen ohne Wenn und Aber.“ Klar ist, dass sich durch Hahns Rückzug die Gewichte auf der Bürgermeisterbank verschieben werden. Die SPD, bei der Kommunalwahl 2014 von zehn auf neun Sitze gestutzt, ist künftig nur noch durch den Technikbürgermeister Dirk Thürnau in der Runde der Ressortchefs repräsentiert. Die Grünen, bei der Kommunalwahl 2009 zur stärksten Fraktion avanciert und 2014 von der CDU wieder auf den zweiten Platz verwiesen, könnten entsprechend ihrer Stellung im Rat künftig zwei Beigeordnete auf der Bürgermeisterbank stellen. Pätzolds Co-Fraktionssprecherin Anna Deparnay-Grunenberg ließ am Donnerstag jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die Grünen das Amt für sich reklamieren: „Wir würden uns freuen, wenn wir diesen wichtigen Bereich der Stadtpolitik künftig bespielen könnten.“

Der Sprecher der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus, Thomas Adler, dämpfte Deparnays Erwartungen: „Nicht eine Partei oder der Proporz, sondern die fachliche Eignung und die inhaltlichen Vorstellungen sollten den Ausschlag für die Besetzung der wichtigen Stelle sein.“