Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg tritt auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere ab. Er tritt als König der Rennfahrer zurück. Ein Kommentar von Sportredakteur Jürgen Kemmner.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Das sagt sich ziemlich leicht, fällt vielen Menschen in den verschiedensten Lebensbereichen aber unglaublich schwer in der Umsetzung. So sind beispielsweise die Annalen des Sports voll von Weltmeistern und Olympiasiegern, die den richtigen Zeitpunkt verpasst haben und die in den schlimmsten Fällen als jämmerliche Karikaturen ihrer selbst von übermächtigen Gegnern vor Millionen Fans bloßgestellt worden sind. Nico Rosberg wird dies nicht passieren, der neue Formel-1-Weltmeister tritt auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere ab. Er tritt als König der Rennfahrer zurück.

 

Dieser Entschluss trifft die Motorsport-Szene völlig überraschend, nichts hatte seit dem WM-Finale in Abu Dhabi darauf hingedeutet, dass der erste deutsche Champion in einem Mercedes-Silberpfeil mit 31 Jahren seine Laufbahn beenden könnte. Die Gründe, die Rosberg für seinen Ausstieg nennt, sind nachvollziehbar: Dass ihn die vergangenen zwei Jahre mit dem ungeliebten Teamkollegen Lewis Hamilton psychisch extrem belastet hätten und dass er seinem großen Ziel vom WM-Titel sein gesamtes Privatleben untergeordnet habe – jeder, der die Formel 1 in den zurückliegenden zwei Jahren verfolgt hat, der wusste um den enormen Erfolgs- und Leidensdruck, dem Rosberg in der enorm fordernden Liaison mit dem egozentrischen, sich häufig über Teamvorgaben hinwegsetzenden Lewis Hamilton ausgesetzt war. Das war für ihn bisweilen zermürbend, daher war der Titel für den gebürtigen Wiesbadener eine Befreiung.

Rosberg hört auf, wenn es am schönsten ist. Wenn es womöglich keine Steigerung mehr für ihn gibt – denn die nächsten Saisonen werden mindestens so nervenaufreibend, dabei besteht zweifellos das Risiko, dass ein gereizter Lewis Hamilton nun mit all seinen fahrerischen und mentalen Tricks zurückschlagen wird. Eine weitere Niederlage gegen den Glamour-Rennfahrer ist nicht ausgeschlossen. Ist also Rosbergs Karriereende lediglich eine mit schönen Worten verpackte Feigheit vor dem Feind? Ihm dies zu unterstellen, wäre billig, bösartig und würde seine Leistung in impertinenter Weise herabwürdigen. Denn manchmal gehört für einen Profisportler mehr Mut dazu, ein gerne ausgefülltes Kapitel des Lebens endgültig zuzuschlagen und ein neues zu beginnen, als sich lediglich an das zu klammern, was man seit Jahrzehnten kennt.