Die Liste an Klischees über Transsilvanien ist lang. Mit dem Vampir-Tourismus in Rumänien lässt sich aber auf jeden Fall Geld verdienen.

Hermannstadt - Draußen in der transsilvanischen Nacht poltert ein Gewitter. Das Licht flackert und Blitze erhellen geisterhaft das Restaurant der kleinen Pension, die in der Nähe des Dorfes Aref und am Fuße der südlichen Karpaten liegt. Eigentlich fehlt in diesem Moment nur noch, dass in der Ferne ein paar Wölfe heulen und ein unheimlicher Kutscher aus einem dichten Nebel auftaucht - und schon befände man sich mittendrin in den Klischees, die einem spontan zu Transsilvanien (Siebenbürgen) in den Sinn kommen. Schuld daran ist ein Engländer, der selber niemals in Rumänien war: der Schriftsteller Bram Stoker, der seinen „Dracula“ im gleichnamigen Literaturklassiker durch diese Region Blut saugen ließ. „Bis zur Wende Ende der 80er Jahre hatte in Rumänien allerdings kaum jemand etwas von Dracula gehört“, sagt der Historiker Bogdan Popa. „In Rumänisch ist der Roman sogar erst 1991 zum ersten Mal erschienen.“ Obwohl das Image als finsteres Blutsaugerland natürlich nicht gerade schmeichelnd ist, lässt sich mit dem Dracula-Tourismus nun Geld verdienen - auch in der Umgebung des ländlich-idyllischen Aref. Mit Dracula-Camping. Dracula-Cocktail. Dracula-Pension.

 

Doch selbst diejenigen, die nur wegen des Vampirs kommen oder mit Bogdan den Spuren des historischen Vorbilds Vlad „der Pfähler“ Tepes nachspüren, stoßen bei einer Rundreise durch Siebenbürgen auch ganz unweigerlich auf geschichtsträchtige Städte, rumänisches Landleben und viel wilde Natur. Mit der Dracula-Atmosphäre des ersten Abends ist es schnell wieder vorbei. Das Gewitter zieht ab, und am nächsten Morgen wirft die Sonne ihr helles Licht in die dichten Wälder und auf die nahegelegene Festung Poenari. Dort soll sich der Walachen-Fürst Vlad tatsächlich mal aufgehalten haben. „Als er damals auf der Flucht vor den Türken war, halfen ihm die Bewohner Arefs“, sagt Bogdan, oben angekommen. Fast 1500 Stufen hoch liegt die Ruine mit schönem Ausblick in die südlichen Karpaten, der etwas später aber noch eindrucksvoll überboten wird. Denn obwohl sie normalerweise nur zwischen Juli und September geöffnet ist, ist die Transfogarascher Hochstraße glücklicherweise bereits freigegeben.

In der Altstadt funktioniert der Reiseführer von 1885 noch

Darauf geht es durch Täler und dichte Wälder, vorbei an einem Stausee und einem Wasserfall und schließlich hoch bis auf 2042 Meter. Hinter vielen Serpentinen eröffnen sich dabei weitere Aussichten in die wilde Bergromantik, bis der verschneite Pass erreicht ist, hinter dem der Nebel dichte Wände aufbaut. Als der sich lichtet, zieht wieder das ländliche Rumänien vor der Windschutzscheibe vorbei, wie man es außerhalb der Städte überall in Siebenbürgen beobachten kann. Landwirtschaft. Heuschober. Dörfer. Das einfache Leben, das auf die Geschwindigkeit der oft hoch beladenen Pferdekarren gedrosselt ist - bis einen Sighisoara (deutsch: Schäßburg) wieder in eine ganz andere Zeit katapultiert. „Hier in der Altstadt funktioniert der Reiseführer von 1885 noch“, sagt Dorin, dessen Kostüm ebenso in die Zeit passt wie das von Zoli, mit dem er durch das historische Zentrum führt.

Ein bisschen sind sie dabei wie ein altes Ehepaar, das sich auf köstliche Weise gegenseitig ins Wort fällt, während sie den mittelalterlichen Festungskern oder den mehr als 60 Meter hohen Stundturm erklären. Das nach wie vor bewohnte Ensemble wurde zu großen Teilen prächtig saniert und gehört zum Weltkulturerbe. Viele Touristen kommen allerdings aus einem anderen Grund: wegen Vlads vermeintlichem Geburtshaus, das laut Zoli allerdings erst im 17. Jahrhundert und damit weit nach dessen Geburt gebaut wurde. „Aber egal, solche Legenden machen die Geschichte bunt“, sagt er. Seit einiger Zeit befindet sich in dem leuchtend gelben Haus ein Dracula-Restaurant.

Zu dessen beliebtesten Gerichten gehört? Natürlich eine Tomatensuppe. Vom Blutsauger-Rummel bietet Sibiel (deutsch: Budenbach) eine Agrar-Tourismus-Auszeit. Inmitten saftigen Grüns geht es in dem Dorf noch ziemlich ursprünglich zu, auch wenn dort mehr Touristen auftauchen als in vielen anderen kleinen Orten. Viele kommen, um das dörfliche Rumänien zu besichtigen oder eine Sammlung von Glasikonen in der örtlichen Kirche. Adriana, die mit ihrem Mann einen kleinen Hof und eine Pension betreibt, malt Ikonen, die sie nicht ohne Stolz zeigt. Und sie kocht für ihre Gäste: bodenständig deftig, traditionell - und viel zu viel. Großzügig verteilt sie Krautwickel, Braten, den typischen Maisgrieß auf dem Tisch, der an italienische Polenta erinnert.

2007 war sie europäische Kulturhauptstadt

„Langt zu“, fordert sie auf, auch als man schon längst satt ist. Schließlich schenkt ihr Mann einen selbst gebrannten Schnaps ein, dann spannt er den Pferdewagen an für eine Spritztour über das rumpelige Pflaster des Hauptsträßchens. Dracula ist hier weit weg. Und auch die nah gelegene, bereits 1190 von deutschen Siedlern gegründete Stadt Sibiu (deutsch: Hermannstadt) hat kaum etwas mit ihm zu tun. 2007 war sie europäische Kulturhauptstadt und bekam dafür den historischen Kern aufgehübscht. Außerdem war Sibiu seit jeher eines der Zentren der Siebenbürgen-Sachsen - einer deutschen Minderheit, die ursprünglich gar nicht aus Sachsen, sondern aus dem tiefsten Westdeutschland kam und seit dem 13. Jahrhundert Kultur und Leben in der Region nachhaltig prägte. Bis heute erscheint wöchentlich auf Deutsch die „Hermannstädter Zeitung“.

Es gibt eine deutsche Buchhandlung, eine deutsche Schule. Noch zwischen beiden Weltkriegen lebten rund 300 000 Sachsen in Siebenbürgen. Doch mit dem Zusammenbruch der Ceausescu-Diktatur zeigte die jahrhundertealte Gemeinschaft starke Auflösungs- und Abwanderungserscheinungen. Derzeit sind es keine 15 000 Siebenbürger Sachsen mehr, die noch in Transsilvanien leben. Zu deren Erbe in Siebenbürgen gehören auch die Kirchburgen und Wehrkirchen. Die Sachsen bauten sie ab dem 12. Jahrhundert, um sich vor allem vor den einfallenden Türken zu verschanzen und zu verteidigen. Rund 150 dieser Kirchen gibt es in Siebenbürgen, die ihre Jahrhunderte überdauernde Geschichte miteinander verbindet. Abgesehen davon sehen sie alle verschieden aus, sind unterschiedlich gut restauriert und haben ihren eigenen Charakter.

In Vis-cri (deutsch: Deutsch-Weißkirch) etwa befindet sich eine kleinere Kirchburg, die das Prinzip dieser Bauwerke deutlich macht: Die Kirche ist mit Wehrgängen und -türmen ausgestattet und umgeben von einem Mauerbollwerk. Sie gehört ebenso zum Unesco-Weltkulturerbe wie die deutlich größere Kirchburg in Prejmer. Nachdem man durch ein Falltor ins Innere gelangt, stößt man auf die Kirche und rund 200 kleine, in die Mauer gebauten Kammern, in denen alle schutzsuchenden Dorfbewohner Platz fanden. Heute kann man sie über Leitern und die Holzgeländer erkunden. Prejmer (deutsch: Tartlau) liegt auf der Route zur letzten Rundreise-Station, die letztlich doch wieder zu Dracula, ja ins Epizentrum des Vampir-Tourismus führt: zum Bran-Schloss, das als Dracula-Schloss bekannt geworden ist. Die historischen Bezüge zu Vlad sind dort zwar bestenfalls vage, aber womöglich wurde Stoker einst von dem Bau inspiriert, der seit ein paar Jahren wieder den Habsburgern gehört. Vampir-Grusel will sich aber auch weder dort einstellen noch in der nahe gelegenen Pension.

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Infos zu Rumänien

Anreise
Ab Stuttgart direkt bis Sibiu/Hermannstadt mit Blue Air ( www.blueairweb.com ) oder mit einem Stopp mit Lufthansa ( www.lufthansa.de ).

Unterkunft
Sibiu/Hermannstadt: Golden Tulip Ana Tower Hotel in Laufweite zur Innenstadt. Die Zimmer sind modern, es gibt ein Dachrestaurant mit Blick über die Stadt. Ü/F ab 70 Euro im Doppelzimmer; www.goldentulipanatowersibiu.com .

Sibiel/Budenbach: Pension Casa Elena, Zimmer alle unterschiedlich, teils recht eigenwillig dekoriert. Ü/F ab 26 Euro im Doppelzimmer; www.pensiunea-casa-elena.ro/

In der Nähe des Bran-Schlosses liegt die Pension Mistral inklusive Innenpool. Ü/F ab ca. 25 Euro; www.montanbran.ro .

Touren und Rundreisen
„Auf den Spuren des echten Vlad“ und andere Touren sind buchbar über City Compass Tours & Events ( www.citycompass.ro ). Die Agentur My Passport ( www.mypassport.ro ) organisiert Rundreisen, auch auf individuelle Anfragen.

Allgemeine Informationen
www.rumaenien-tourismus.de