Bilkay Öney soll an den Schulen im Land den Bedarf nach Islamunterricht erheben. Zurzeit findet er an 26 Schulen statt.

Stuttgart - Die Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) will zusammen mit der Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) an den Schulen des Landes ermitteln lassen, ob und wo Bedarf nach islamischem Religionsunterricht besteht. Das sei eine der Hausaufgaben, die sie von der zweiten Sitzung des Runden Tisches Islam mitnehme, sagte Öney am Donnerstag nach dem Treffen. Ob der Unterricht wie bisher auf Grund- und Hauptschulen beschränkt bleiben soll, blieb offen. Jörg Imran Schröter, der an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe für die Ausbildung muslimischer Religionslehrer zuständig ist, erwartet, dass vor allem an Sonderschulen und im beruflichen Schulwesen zusätzliches Interesse bestehen könnte. „Das ist das nächste Ziel, das wir ins Auge fassen müssen.“ Öney bekräftigte, „die Landesregierung will islamischen Religionsunterricht“. Zurzeit wird an 20 Grundschulen und sechs Hauptschulen in Baden-Württemberg Islamunterricht erteilt. Die ersten zwölf Grundschulen starteten im Jahr 2006. „Wir streben Schritt für Schritt eine Ausweitung an“, sagte Öney. Jedoch müssten „die finanziellen und personellen Ressourcen geklärt sein“. Man wolle an den Schulen Anreize schaffen, den bekenntnisorientierten Unterricht anzubieten.

 

Modellversuch schnell ausweiten

Rechtlich wäre es kein Problem, den Modellversuch einfach auszudehnen, erklärte der Jurist Mathias Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg. „Baden-Württemberg hat realistische Chancen nach örtlichem Bedarf die Modelle auszuweiten“, sagte der Professor. Das würde schnell gehen und das sei im Interesse der Kinder und Jugendlichen. „Jedes Jahr ohne Religionsunterricht ist für die muslimischen Schüler ein vertanes Jahr.“ Rohe warnte davor, dass die Kinder ohne Religionsunterricht anfälliger für Indoktrination werden könnten. Auch Bilkay Öney bekannte sich klar zum Religionsunterricht an staatlichen Schulen, der in deutscher Sprache von ausgebildeten Lehrern erteilt wird. „Wenn wir islamistische Tendenzen nicht wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Muslime den Islam richtig kennenlernen.“ Integration sei dabei eher ein positiver Nebeneffekt. Im Vordergrund stehe die Wertschätzung, betonte Schröter. „Muslimische Eltern und Schüler müssen ihre Religion und Identität nicht an der Schultür abgeben. Sie sind auf Augenhöhe mit den christlichen Religionen.“

Das Bedürfnis nach islamischem Religionsunterricht unterstrich Talat Kamran, der Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog am Beispiel Mannheims. Es gebe Schulen mit einem Migrantenanteil von 70 bis 80 Prozent. „Die Schüler haben einen Minderwertigkeitskomplex, denn ihre Religion kommt in der Schule zu kurz.“

Kompromisse bei Bestattungen gesucht

Wenig rechtliche Probleme sehen die Mitglieder des Runden Tisches Islam auch mit Bestattungen nach islamischem Ritus. Muslime sollen ohne Sarg in einem Leintuch sofort nach dem Tod zur ewigen Ruhe gebettet werden. Dem steht die deutsche Sargpflicht, die Wartezeit von 48 Stunden nach Eintritt des Todes und die begrenzte Ruhezeit auf Friedhöfen entgegen. Öney will zusammen mit den Kommunen Kompromisse suchen. Sie verwies darauf, dass die ewige Ruhe auch nicht auf allen muslimischen Friedhöfen gegeben sei. Die Sargpflicht sei in einigen Kommunen bereits gelockert worden. Zusammen mit dem Sozialministerium will Öney weitere Lockerungen prüfen. Der Juraprofessor Rohe betonte, „niemand ist bereit das Bestattungsrecht zu ändern“. Aber es könne überprüft werden, ob die 48-Stunden-Vorschrift beim heutigen Stand der Medizin sachlich noch begründet sei. Die Vorgabe soll verhindern, dass Lebende bestattet werden.

Talat Kamran warb für die reguläre Einführung einer islamischen Krankenhaus- und Notfallseelsorge. Bis Juni sollen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg 20 Krankenhausseelsorger ausgebildet werden. Kamran ist zuversichtlich, dass bis zum Jahr 2015 im Südwesten 160 Personen Kranken und Bedürftigen in ihrer Sprache Mut und Trost zusprechen können.

Geladene und Nicht-Geladene

Etwa 40 Gäste sitzen an dem Runden Tisch Islam. Mit dabei sind Vertreter der Ditib, des Verbands islamischer Kulturzentren (VIKZ), der islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland ( IGBD), Aleviten und Ahmadiyyah und Ministeriale. Nicht eingeladen ist dagegen die Islamische Glaubensgemeinschaft IGBW, die sich öffentlich darüber beklagt. So werde ein Drittel der Moscheegemeinden im Land ausgeschlossen. Integrationsministerin Öney hält dagegen. Einzelne Mitglieder der Glaubensgemeinschaft würden vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie wolle das Gremium nicht durch deren Teilnahme angreifbar machen, sondern die moderaten Muslime stärken. Die Verbesserungen kämen „auch denen zugute die nicht am Tisch sitzen“.

Am Donnerstag ging es um Islam und Recht. Im Oktober tagt das Gremium wieder, dann zum Thema „Die Rolle der Frau im Islam“.