Die Ministerpräsidenten entscheiden in dieser Woche über die Höhe des Rundfunkbeitrags. Das soll möglichst geräuschlos passieren, um den Kritikern der „Zwangsabgabe“ nicht noch mehr Zulauf zu bescheren.

Stuttgart - Es ist immer schön, wenn man mehr Geld zur Verfügung hat als gedacht; erst recht, wenn es sich um die stolze Summe von 1,6 Milliarden Euro handelt. In dieser Höhe belaufen sich die Mehreinnahmen, die sich bislang durch die Umstellung der Rundfunkgebühren 2013 auf eine Haushaltsabgabe ergeben haben. Am Sparzwang für die öffentlich-rechtlichen Sender hat sich durch die unverhoffte Geldvermehrung jedoch nichts geändert, denn die Summe ist wohlweislich auf einem Sperrkonto deponiert worden: weil die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) davon ausgeht, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio mit der aktuellen Abgabe von 17,50 Euro pro Haushalt in absehbarer Zeit nicht mehr auskommen werden.

 

Trotzdem hat die KEF den Ministerpräsidenten paradoxerweise empfohlen, für die 2017 beginnende nächste vierjährige Gebührenperiode den Rundfunk-Obulus um 30 Cent auf dann 17,20 Euro zu senken. Der Vorschlag ist erst recht absurd, wenn man weiß, dass die Kommission gleichzeitig aufgrund der zu erwartenden Teuerungsrate für den Zeitraum von 2021 bis 2014 eine satte Gebührenerhöhung auf dann 19,40 Euro in Aussicht gestellt hat. Ohne die Mehreinnahmen, die so hoch waren, dass der Rundfunkbeitrag zum 1. April vergangenen Jahres um fast 50 Cent gesenkt werden konnte, hätten die Gebühren schon im nächsten Jahr erhöht werden müssen.

Dieses scheinbar unsinnige Auf und Ab klingt wie eine typische Bürokratennummer, ist aus Sicht der Bedarfsermittler aber völlig schlüssig. Die aktuelle Senkungsempfehlung, über die sich die Ministerpräsidenten eigentlich schon im Juni abstimmen wollten, basiert auf der Prognose, dass sich in den Jahren 2017 bis 2020 Mehreinnahmen von gut 540 Millionen ergeben werden. Weil sich die Politiker nicht einigen konnten, haben sie den Punkt bis zu ihrem nächsten Treffen am 27. und 28. Oktober verschoben. Dort aber werden sie sich entscheiden müssen: für eine eher symbolische Senkung jetzt und eine drastische Erhöhung in fünf Jahren; oder für die Aufrechterhaltung der momentanen Abgabe und eine halbwegs verträgliche Anhebung um circa 1,50 Euro.

Das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt

Aller Wahrscheinlichkeit ist derzeit mit letzterem zu rechnen; der Überschuss der nächsten vier Jahre würde ebenfalls in den Sparstrumpf wandern. Ein Hin und Her – mal runter, dann wieder rauf – wäre den Menschen ohnehin nur schwer zu vermitteln. Juristisch allerdings wäre das eine Gratwanderung, denn laut Bundesverfassungsgericht sind die Ministerpräsidenten an die Empfehlungen der KEF gebunden; Abweichungen sind nur dann gestattet, wenn ein Kommissionsvorschlag die Gebührenzahler unangemessen belasten würde. Schon mit der Bildung von Rücklagen für Zeiten, in denen die Kosten höher sein werden als die Einnahmen, hat sich die Politik in eine rechtliche Grauzone begeben.

Vermutlich sind die Ministerpräsidenten auch gut beraten, die Debatte möglichst geräuschlos zu führen. Ein öffentlicher Schlagabtausch würde gewissen Kreisen, die beharrlich den Unmut gegenüber ARD, ZDF und ihren sogenannten Zwangsgebühren schüren, weiteren Zulauf bescheren. Seit Jahren weisen Kritiker darauf hin, dass das mit 8,5 Milliarden Euro pro Jahr subventionierte öffentlich-rechtliche Rundfunksystem mit Abstand das teuerste der Welt sei. Sie dürften auch einen Vorstoß Horst Seehofers begrüßt haben: Der bayerische Ministerpräsident hat seinen Kollegen mit der Anregung, ARD und ZDF zu fusionieren, weiteren Diskussionsstoff beschert. Vermutlich wird diese Idee ebenso wie viele andere in einer neugegründeten Arbeitsgruppe besprochen, die den Auftrag hat, die Strukturen von ARD und ZDF zu optimieren und nach Synergiemöglichkeiten zu suchen.

Debatte über Digitalkanäle

Selbst wenn mit einer Verschmelzung von ARD und ZDF so bald nicht zu rechnen ist, weil Seehofer für seine Idee keine Mehrheit finden wird: Es gibt zumindest Überlegungen, ob die vielen kleinen Digitalkanäle der beiden Systeme wirklich nötig sind. Mit dem Start des Online-Jugendangebots Funk sind bereits Eins Plus und ZDF Kultur eingestellt werden; eine Zusammenlegung der überwiegend aus Wiederholungen bestehenden Sender Programme One (früher EinsFestival) und ZDF Neo wäre ebenso denkbar wie eine Kombination der journalistischen Angebote Tagesschau 24 und ZDF Info. Immer wieder zur Sprache kommt auch eine Integration der Minisender Radio Bremen in den NDR und Saarländischer Rundfunk in den SWR, wobei die betroffenen Anstalten allerdings einwenden, dass diese Fusion unterm Strich teurer wäre als der Status quo.

Ein weiteres Thema für die Arbeitsgruppe ist die Frage nach der Werbung. Auch Menschen, die nicht im Verdacht stehen, als Lobbyisten der Privatsender zu gelten, fordern seit geraumer Zeit einen öffentlich-rechtlichen Werbeverzicht, damit sich ARD und ZDF noch stärker von RTL & Co. unterscheiden. Der nordrhein-westfälische Landtag hat bereits beschlossen, die Dauer der Hörfunkwerbung in den WDR-Wellen ab 2019 auf sechzig Minuten pro Tag zu reduzieren. Die rot-grüne Koalition in Düsseldorf macht sich dafür stark, auch die TV-Reklame einzuschränken; derzeit dürfen ARD und ZDF zwischen 18 und 20 Uhr jeweils zwanzig Minuten lang Werbespots ausstrahlen. Ein konsequenter Werbeverzicht aber hätte zur Folge, dass den Sendern Einnahmen wegbrechen würden. Um die Verluste auszugleichen, müsste der Rundfunkbeitrag laut KEF aktuell um gut 1,20 Euro erhöht werden. Unterm Strich wären das für die nächste Gebührenperiode mehr als 3 Euro. Auch wenn es viele Menschen gibt, die das angesichts der unbestreitbaren Qualität von ARD und ZDF in Kauf nähmen: Der politisch gesteuerte Aufschrei wäre unter Garantie gewaltig.