Die Ministerpräsidenten der Länder befassen sich mit einer charmanten Idee: Weil die Beiträge beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprudeln, könnten ARD und ZDF bald zur reklamefreien Zone werden.

Stuttgart -

 

Das Phänomen ist allzu menschlich: Wenn plötzlich mehr Geld da ist als ursprünglich geplant, weckt das Begehrlichkeiten. Das ist in Wirtschaft und Politik nicht anders als in der Familie. Seit feststeht, dass durch die Reform der Rundfunkgebühren deutlich größere Summen eingenommen werden als veranschlagt, die Rede ist von 1,5 Milliarden Euro, gibt es viele gut gemeinte Vorschläge, wem das Geld zugutekommen könnte.

Die Sender würden die Mehreinnahmen am liebsten behalten, was aber nicht geht, denn ihr Streben gilt nicht der Gewinnmaximierung. Sie bekommen nur so viel Geld, wie sie als Bedarf angemeldet haben. In der Politik indes hielte man es für eine gute Sache, die Gebührenzahler weiter zu entlasten, weshalb der Rundfunkbeitrag für jeden Haushalt schon jetzt zum 1. April von 17,98 Euro pro Monat auf 17,50 Euro gesenkt wird. Das ist zwar nur eine symbolische Geste, weil die Ersparnis für den Zuschauer einem Brötchen pro Monat gleichkommt, aber Symbole genießen in der Politik hohen Stellenwert. Die weiteren Mehreinnahmen werden bis jetzt auf Sperrkonten geparkt – mit der Absicht, das Geld für Nachbesserungen zu verwenden und beispielsweise Unternehmen zu entlasten, die ihrer Ansicht nach über Gebühr belastet werden.

Soll das Geld in Qualität gesteckt werden?

Allerdings haben sich auch Lobbygruppen zu Wort gemeldet und darauf hingewiesen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz Milliardeneinnahmen unterfinanziert sei. Die Interessenverbände der Journalisten wie auch die Allianz der Film- und Fernsehproduzenten glauben, dass viel mehr Geld ins Programm fließen sollte, damit ARD, ZDF und Tochterkanäle wieder richtig gute Qualität herstellen können. Fürsprecher der Sender merken zudem an, dass auch der geplante Jugendkanal finanziert werden müsse. Davon abgesehen haben einige Anstalten für 2015 bereits ein Defizit angekündigt. Dem ZDF fehlen 93 Millionen Euro, dem NDR 48,5 Millionen, dem MDR 35 Millionen. Damit verglichen steht der SWR mit einem erwarteten Minus von 4,2 Millionen richtig gut da.

Womöglich kommt aber alles ganz anders. Seit nunmehr dreißig Jahren plädiert der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) für eine Werbefreiheit von ARD und ZDF. Der VPRT tut das natürlich aus Eigennutz, weil er hofft, dass die entsprechenden Einnahmen auf die Konten von RTL, Sat 1 & Co. fließen. Allem Anschein nach hat der Verband nun endlich Gehör gefunden, denn die Ministerpräsidenten werden sich bei einer Konferenz im Juni mit dem Vorschlag befassen. Diskutiert wird er allerdings schon länger – und auf den ersten Blick ist die Idee ja auch nicht schlecht, zumal sich ARD und ZDF durch einen konsequenten Verzicht auf ihre zwanzig Werbeminuten am Vorabend deutlicher von der kommerziellen Konkurrenz unterscheiden könnten.

Nichts nervt mehr als Radiowerbung

Bis jetzt hatte die Kommission zur Ermittlung des öffentlich-rechtlichen Finanzbedarfs (KEF) stets darauf hingewiesen, dass ein Wegbrechen der Werbeeinnahmen durch eine Gebührenerhöhung um 1,25 Euro pro Monat ausgeglichen werden müsse. Ob sich die Mehreinnahmen durch den Rundfunkbeitrag und die Mindereinnahmen durch den Werbeverzicht gegeneinander aufrechnen lassen, wird die KEF sicher zu gegebener Zeit prüfen. Allerdings lassen die Befürworter der Werbefreiheit außer Acht, dass sich das Gebot auch aufs Radio beziehen würde. Vielen Hörern wäre das recht, nichts nervt mehr als Radiowerbung; den ARD-Sendern sind 90 Minuten pro Tag erlaubt. Marketingexperten weisen allerdings darauf hin, dass sich der VPRT ins eigene Fleisch schneiden könnte, denn ein Reklameverzicht bei den öffentlich-rechtlichen Popwellen würde das Werbemedium Radio erheblich beschädigen.

Und dann gibt es noch eine Gruppe, die offenbar keine Lobby hat, denn ihre Bedürfnisse sind bisher komplett ignoriert worden: Wenn das ZDF keine Werbung mehr zeigen darf, was wird dann eigentlich aus den Mainzelmännchen?