Die Weltbank hält für 2014 den Rückgang der russischen Wirtschaft für möglich, denn nötige Investitionen werden nicht getätigt. Stattdessen fließt seit der Ukraine-Krise immer mehr Kapital ins Ausland.

Stuttgart - Russland ist ein reiches Land, reich an Bodenschätzen. Fast 18 Prozent der Weltgasreserven lagern im russischen Boden, gut fünf Prozent der weltweiten Ölvorkommen und mehr als 18 Prozent der Kohlereserven. Sowohl bei der Produktion von Erdöl als auch von Erdgas steht das Riesenreich in der Rangliste der weltgrößten Förderländer auf Platz zwei – hinter Saudi-Arabien (bei Öl) und den USA (bei Gas). Russland ist extrem von seinen Energiereserven abhängig. Erdöl und Erdgas machen zwei Drittel der Exporte aus und tragen die Hälfte zum Staatshaushalt bei.

 

Für die Welt wäre es eine Herausforderung – Stichwort Ukraine –, müsste sie auf die russischen Energielieferungen verzichten. Alle anderen Produkte – dazu gehören Maschinen, Lebensmittel oder Erzeugnisse der chemischen Industrie – ließen sich dagegen kompensieren, darin sind sich Experten einig. Russland hätte im Ernstfall nicht minder große Probleme: 43 Prozent der russischen Unternehmen sind auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen; ohne die Produkte würden Teile der Fertigung quasi stillstehen, belegen Studien. Es sei denn, andere Länder wie China, schon jetzt wichtigster Handelspartner, springen bei.

Pessimistische Zukunftsprognose

Russlands Lage ist schwierig. Wuchs die Wirtschaft des Landes 2012 noch um 3,4 Prozent, waren es 2013 nur noch 1,3 Prozent. Und im ersten Quartal dieses Jahres hat das Schwellenland, das eigentlich Nachholbedarf hat, nur noch um 0,9 Prozent zugelegt. Die Weltbank hält für das gesamte Jahr sogar einen Rückgang von 1,8 Prozent für möglich, sollte in der Ukraine keine Ruhe einkehren.

Hauptproblem der russischen Wirtschaft ist ihre mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. In allen Bereichen bestehe erheblicher Modernisierungsbedarf, schreibt das Auswärtige Amt in Berlin über die derzeitige Wirtschaftslage des Landes. Doch die dafür nötigen Investitionen werden nicht getätigt. Im vergangenen Jahr sanken die Investitionen russischer Unternehmer um 0,2 Prozent; im ersten Quartal dieses Jahres lag das Minus bereits bei 4,8 Prozent. Analysten gehen davon aus, dass im Gesamtjahr der Rückgang zwischen drei und fünf Prozent liegen könnte. Angeschafft würden wegen finanzieller Engpässe teilweise nur Gebrauchtmaschinen, um komplett verschlissene Technik überhaupt ersetzen zu können, schreibt der deutsche Informationsdienstleister Germany Trade and Invest (GTAI) in einer Analyse. Mehr als die Hälfte der Unternehmer äußert sich eher pessimistisch über die Zukunftsaussichten, hat eine Umfrage des russischen Gaidar-Instituts vom April ergeben.

Gefährliche Kapitalflucht

Statt investiert zu werden flieht das Kapital ins Ausland. 70 Milliarden Dollar flossen im ersten Quartal 2014 ins Ausland; mehr als im gesamten Vorjahr. Die Weltbank erwartet, dass bis Jahresende 85 Milliarden Dollar abwandern könnten. Die Zahl könnte, befürchten die Weltbanker, auf 150 Milliarden Dollar hochschnellen, sollte die Ukrainekrise eskalieren. Um diese Kapitalflucht und den damit verbundenen Rubelverfall abzubremsen, hat die russische Zentralbank den Leitzins auf acht Prozent angehoben.