Als Russlands Außenminister Sergei Lawrow aktuell mit US-Amtskollegen John Kerry telefonierte, ging es offenbar härter zur Sache als bei Diplomaten üblich. Lawrow droht im Gespräch ganz unverhohlen.

Kiew - Als Russlands Außenminister Sergei Lawrow aktuell mit US-Amtskollegen John Kerry telefonierte, ging es offenbar härter zur Sache als bei Diplomaten üblich. Lawrow hatte gerügt, das Kiew ausgerechnet während des Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden die Fortsetzung der so genannten Anti-Terror-Operation in der Ostukraine beschloss. Gemeint ist der Einsatz von Sondereinheiten der Polizei gegen pro-russische Milizen, die ein Referendum über den Beitritt zur Russischen Föderation wie auf der Krim fordern. Die Strafexpedition steht aus russischer Sicht in krassem Widerspruch zu Bemühungen um De-Eskalation, worauf sich die Außenamtschefs Russland, der Ukraine und der USA sowie EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton letzte Woche in Genf geeinigt hatten.

 

Kerry dagegen warf Moskau vor, die Abmachungen zu torpedieren. Entgegen offizieller Darstellung sei Russlands Militär nach wie vor an der Grenze zur Ostukraine massiv präsent und würde bei den Unruhen dort sogar mitmischen. Putin hatte das bei seiner TV-Fragestunde am vergangenen Donnerstag dementiert, in einem Nachsatz aber zugegeben, dass Moskau auf der Krim im Vorfeld des Referendums Mitte März militärisch eingegriffen hat. Zuvor hatte er sich stets gegen derartige Unterstellungen verwahrt. Die USA drohten deshalb mit verschärften Sanktionen.

Bisher galt Lawrow als maßvoll

Unmittelbar danach machte Lawrow seinem Frust Luft bei „Russia today“, dem russischen Auslandsfernsehen, das in den USA Millionen Zuschauer hat. „Wenn russische Bürger angegriffen werden, ist das ein Angriff auf die Russische Föderation“, Moskau werde in diesem Fall „antworten“. Da das Mandat, das der Senat Kremlchef Wladimir Putin auf dem Höhepunkt der Krim-Krise Anfang März für militärisches Eingreifen erteilte, nach wie vor gilt, ist das eine unverhüllte Drohung mit Gewalt.

So jedenfalls interpretierten westliche Agenturen und kritische Beobachter in Russland die Worte Lawrows, der bisher als maßvoll galt und bekannt ist, seine Worte so zu wählen, dass Fehlinterpretationen unmöglich sind. Aufhorchen lässt zudem, dass er die Drohung wiederholte, als er Parallelen zum Krieg mit Georgien um dessen abtrünnige Region Südossetien 2008 zog. „Wenn Interessen von Russen direkt angegriffen werden, wie etwa in Südossetien“, zitierte ihn der Sender, „sehe ich keine andere Möglichkeit, als im Einklang mit dem Völkerrecht zu antworten“. Dieses erlaubt Staaten Auslandseinsätze zum Schutz ihrer Bürger.

In der Ostukraine haben nur wenige einen russischen Pass

In Südossetien, wo Moskau die Separatisten seit der Abspaltung von Georgien 1992 unterstützte, hatten schon vor dem Augustkrieg rund 80 Prozent der Einwohner einen russischen Pass. In der Ostukraine dagegen sind russische Staatsbürger bisher eine verschwindend kleine Minderheit, und auch der Anteil russischer Muttersprachler an der Gesamtbevölkerung liegt dort weit unter dem auf der Krim.

Kritische Beobachter sehen zwei Gründe für die schrillen Töne Moskaus. Vergangene Woche suchte die abtrünnige Slawenregion der Republik Moldau offiziell um den Russland-Beitritt nach: Transnistrien, das keine Grenzen zu Russland hat. Um dessen Sicherheit und eine stabile Versorgung zu gewährleisten, müsste Moskau, wie der Politikwissenschaftler Stanislaw Belkowski warnt, einen Korridor durch die Südukraine schlagen, was für den Kreml den angenehmen Nebeneffekt hätte, dass Kiew dann den Zugang zum Schwarzen Meer verliert. Als Begründung müsste der Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Südukraine herhalten. Zusätzlich in Rage bringt Moskau, dass die NATO versucht, Russlands Verbündete zu „neutralisieren“, wie die Nesawissimaja Gaseta schreibt. Demzufolge wollen Armenien und Kasachstan ihre Zusammenarbeit mit der NATO fortsetzen, das an Afghanistan grenzende Tadschikistan der Allianz sogar Luftraum und Stützpunkte für den Abzug vom Hindukusch öffnen.

Unterdessen haben der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Amtskollege Laurent Fabius die ehemalige Sowjetrepublik Moldau besucht. Bei ihren Gesprächen in Chisinau sollte es um die Annäherung eines der ärmsten Länder Europas an die EU und um den Konflikt mit der abtrünnigen, nach Russland strebenden Region Transnistrien gehen. Danach wollten die Minister nach Georgien weiterreisen. „Die tiefe Beunruhigung, mit der unsere östlichen Partner die Situation in ihrem Nachbarland Ukraine beobachten, nehmen wir sehr ernst“, sagte Steinmeier. „Die Uhr tickt. Jede weitere Eskalation macht eine Lösung des Konflikts immer schwieriger.“