Ein auf 94 Millionen Euro verklagter Ex-EnBW-Manager begrüßt die Razzia in der Zentrale des Energiekonzerns wegen der Russland-Geschäfte: Dank der Akteneinsicht könne er sich nun besser wehren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Razzia wegen der undurchsichtigen Russland-Geschäfte der EnBW könnte nicht nur die strafrechtliche Klärung der Vorgänge voranbringen, sondern auch die Zivilprozesse zwischen dem Energiekonzern und den von diesem verklagten Managern. Diese Erwartung äußerte der Anwalt des früheren Geschäftsführers der EnBW-Kernkraft-Gesellschaft, Wolfgang Heni, von dem das Unternehmen mehr als 90 Millionen Euro verlangt. „Wir begrüßen es, nunmehr im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Einblick in die zahlreichen Dokumente zu erhalten, die die EnBW bislang den auf Schadenersatz in Anspruch genommenen Managern mit viel Aufwand vorenthalten hat“, sagte der Anwalt Hans-Georg Kauffeld der Stuttgarter Zeitung.

 

Heni gilt als Schlüsselfigur bei den Geschäften mit dem russischen Lobbyisten Andrey Bykov, deretwegen der Konzern 130 Millionen Euro abgeschrieben hat. Im Juni soll vor dem Landgericht Heilbronn ein mit Spannung erwartetes Zivilverfahren beginnen, in dem die EnBW von ihm wegen Pflichtverletzungen 93,6 Millionen Euro fordert. Laut dem Gericht argumentiert Heni, dass der Vorstand und alle relevanten Gremien über die Russland-Geschäfte informiert gewesen seien; ihm würden jedoch Unterlagen vorenthalten, mit denen er dies belegen könne.

Sein Anwalt Kauffeld setzt nun darauf, „dass die Staatsanwaltschaft der EnBW dabei helfen kann, die angeblich verlorenen Daten aus den Geschäftsjahren vor 2008 wiederherzustellen“. Der Datenverlust war offenbar einer der Anlässe für die groß angelegte Razzia, bei der vorige Woche die EnBW-Zentrale, zwei Tochterfirmen und die Privatwohnungen von sieben teils ehemaligen Managern – darunter auch die Henis – durchsucht wurden. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Untreue und der Steuerhinterziehung.

Durchsuchung auch bei Ex-EnBW-Chef Goll

Für Kauffeld ergibt sich aus dem Durchsuchungsbeschluss, „dass die Ermittlungsbehörden bislang ein unzutreffendes Bild von den Russland-Geschäften der EnBW haben“. Dieses stütze sich offenbar im Wesentlichen auf die Angaben Bykovs. „Wir erwarten, dass die nunmehr . . . gesicherten Unterlagen und elektronischen Dokumente beweisen werden, dass Herrn Heni die erhobenen Vorwürfe nicht treffen können“, sagte der Anwalt.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim gibt weiterhin keine Auskunft, gegen wen sich die Ermittlungen richten. Derweil bestätigte der frühere EnBW-Chef Gerhard Goll der StZ, dass auch bei ihm durchsucht wurde. „Es ist richtig, dass die Fahnder auch bei mir waren. Ich habe sie freundlich gewähren und wieder gehen lassen. Sie tun ihre Arbeit.“ Den Durchsuchungsbeschluss wollte Goll nicht kommentieren. Der Anwalt von Golls Nachfolger Utz Claassen wollte sich nicht zu Berichten äußern, wonach auch dessen Räume durchsucht worden seien. Als einziger Manager hatte bisher der amtierende EnBW-Technik-Vorstand Hans-Josef Zimmer bestätigt, dass gegen ihn ermittelt wird. Mit einer Zivilklage verlangt die EnBW von ihm etwa 80 Millionen Euro. Das Verfahren vor dem Landgericht Landau beginnt ebenfalls im Juni.

Auch die Finanzverwaltung vermutet Landschaftspflege

Nach StZ-Informationen geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass die Zahlungen an Bykov nicht – wie in den Verträgen angeben – für Nukleargeschäfte geleistet wurden. Vielmehr hätten sie wohl dazu gedient, der EnBW Zugang zu russischem Gas zu verschaffen. Bykov selbst gibt an, er sei für Lobbyarbeit in Russland bezahlt worden und habe einen Teil des Geldes an seine Stiftung „Heiliger Sankt Nikolaus der Wundertäter“ weitergeleitet. Auch die Finanzbehörden vermuten nach StZ-Informationen, dass EnBW-Millionen in Russland zur Landschaftspflege eingesetzt wurden. Weil der Empfänger der Beträge, die an Schweizer Bykov-Firmen gezahlt wurden, unklar blieb, hatten sich die Betriebsprüfer geweigert, diese als Betriebsausgaben anzuerkennen. Offizielle Auskünfte dazu sind wegen des Steuergeheimnisses weder von den Finanzbehörden noch vom Finanzministerium zu erhalten.