Russland will seine Industrie stärken und geht dabei neue Wege. Ausländische Investoren, die einen besonderen Vertrag abschließen, erhalten viele Privilegien. Womöglich verzichtet der Staat sogar ganz auf Gewinnsteuern.

Stuttgart - Russland rollt für ausländische Investoren den roten Teppich aus und bietet diesen Unternehmen ein neues, ungewöhnliches Vertragsmodell an. Vorgestellt hat es Alexey Komissarov vom Fonds für industrielle Entwicklung des russischen Industrieministeriums bei einer Diskussionsrunde mit Wirtschaftsvertretern in Stuttgart, zu der Klaus Mangold eingeladen hatte; der 72-Jährige, der früher dem Daimler-Vorstand angehörte, ist der Honorarkonsul Russlands für Baden-Württemberg. Russland wird nach Ansicht Mangolds, der mit seiner Beratungsgesellschaft Mangold Consulting stark im Ostgeschäft aktiv ist, aus der Wirtschaftskrise nur herauskommen, wenn es gelingt, ausländische Investitionen ins Land zu holen. „Die Investitionsschwäche muss überwunden werden“, mahnte er.

 

Komissarov erläuterte, was unter den sogenannten Special Investment Contracts zu verstehen ist: Ein Investor verpflichtet sich, eine Fabrik zu bauen oder zu erweitern und eine bestimmte Zahl an Jobs zu schaffen und zu erhalten; auch bestimmte Steuerzahlungen sind Teil des Vertrags. Im Gegenzug winken Vergünstigungen einschließlich der Senkung des regionalen Gewinnsteuersatzes auf null Prozent und beschleunigte Abschreibungen. Eine Besonderheit: Russland garantiert dem Investor für die Laufzeit des Vertrags – fünf bis maximal zehn Jahre – den Erhalt der ursprünglichen Bedingungen; auch Steueränderungen würden sich somit nicht auswirken. Nach Komissarovs Angaben müssen mindestens 750 Millionen Rubel, umgerechnet zehn Millionen Euro, investiert werden, um solch einen Spezialvertrag abschließen zu können. Der Fondsdirektor berichtete, dass Russland noch über weitere Vergünstigungen nachdenke, zum Beispiel die Absenkung der Gewinnsteuern insgesamt Richtung null.

Zehn Verträge bis Jahresende sind das Ziel

Das Modell, das erst in den zurückliegenden 15 Monaten rechtlich verankert wurde, stößt im Ausland auf Interesse. Der erste Vertragsabschluss steht nach den Worten von Komissarov unmittelbar bevor: Dabei geht es um den Bau einer Motorenfabrik des japanische Autobauers Mazda zusammen mit seinem russischen Jointventure-Partner Sollers in der Region Primorje im äußersten Südosten Russlands am Japanischen Meer. Nummer zwei auf der Liste, so sagte Komissarov, könnte der westfälische Landmaschinenhersteller Claas mit seiner Fabrik im südrussischen Krasnodar werden, gefolgt vom koreanischen Autohersteller Hyundai (Fabrik in St. Petersburg) und dem deutschen Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori (Fabrik in der Region Uljanowsk). Bis Ende des Jahres, so heißt es, will der Fonds für industrielle Entwicklung zehn Spezialinvestitionsverträge unterzeichnet haben.

Das Ziel, Investitionen in Russland zu mobilisieren, verfolgt auch Kirill Dmitriev, Chef des russischen Fonds für Direktinvestitionen (RDIF). Er hat zehn Milliarden Dollar zur Verfügung, braucht nach den beschlossenen Regeln bei der Gründung des Staatsfonds im Jahr 2011 aber Partner, die jeweils mit dem gleichen Betrag einsteigen wie der RDIF. So wurde zum Beispiel zusammen mit der China Investment Corporation ein gemeinsamer Fonds aufgelegt. Auch in der EU hat der Fonds Partner: die Caisse des Dépôts International (CDC International) in Frankreich und den Fondo Strategico Italiano (FSI) in Italien. „Wir hoffen, dass wir bald in der Lage sind, entsprechende Kooperationen auch in Deutschland bekannt geben zu können“, sagte Dmitriev in Stuttgart. Weitere Hinweise gab er nicht. Als konkretes Projekt ist vor allem zu Jahresbeginn eine Zwei-Milliarden-Dollar-Investition des Hafenbetreibers DP bekannt geworden. Das Unternehmen aus Dubai will für zwei Milliarden Dollar russische Häfen modernisieren.

Airbus winkt bei Russian Helicopters ab

In Russland spielt nach wie vor die Staatswirtschaft eine große Rolle. Deshalb könnten Privatisierungen aus Mangolds Sicht der Wirtschaft einen Schub geben und Ausländer ins Land holen. Dmitriev mochte ihm da aber keine großen Hoffnungen machen: Die zurzeit erzielbaren Preise seien den Russen zu niedrig, sagte er. Gleichwohl läuft gegenwärtig die Privatisierung des Hubschrauberherstellers Russian Helicopters, der eines von mehreren hundert Unternehmen unter dem Dach der Staatsholding Rostek ist. Airbus hatte zunächst Interesse an Russian Helicopters signalisiert, jüngst aber bestritten, ein Angebot abgeben zu wollen.

Die gegen Russland im Zuge der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen sind nach Mangolds Ansicht kein Hindernis für ein stärkeres Engagement der deutschen Wirtschaft. Dmitriev und Komissarov warben intensiv um Investitionen des baden-württembergischen Mittelstands: Jetzt sei der ideale Zeitpunkt zum Einstieg, so der Tenor. Solche Losungen wurden in den Vorjahren häufig ausgegeben; besser geworden ist die Lage in Russland nicht.Die heimischen Betriebe halten sich deshalb zurück.