Der russische Präsident gibt seine erste große Pressekonferenz seit vier Jahren. Kritischen Fragen der Journalisten weicht er dabei allerdings aus.

Moskau - Fünf Stunden hat der russische Präsident den rund 1000 Medienvertretern Rede und Antwort gestanden. Es war die erste Jahrespressekonferenz in Wladimir Putins dritter Amtszeit. Er selbst hatte die Veranstaltung im vergangenen Jahrzehnt eingeführt, um vor allem Journalisten aus der Provinz Gelegenheit zu geben, den Staatschef zu befragen. Sie stellten auch am Donnerstag den Löwenanteil der Fragen, die offenbar vorher abgesprochen waren, denn Putin verblüffte mit Details und dem Zahlengedächtnis eines Mathegenies. So ging es über weite Strecken auch um Lösungen für lokale Probleme.

 

Diese Detailfragen nutzte Putin gekonnt als Projektionsfläche für eine positive Selbstdarstellung. Seine unmissverständliche Botschaft: geordnete Verhältnisse und stabile Finanzen trotz Turbulenzen auf den Weltmärkten. Dass die Wachstumsprognosen für 2012 dennoch leicht nach unten korrigiert werden mussten, erklärte Putin mit der weltweiten Rezession, vor allem in der Eurozone, Moskaus wichtigstem Außenhandelspartner, und mit Missernten in Russland.

Bei kritischen Fragen flüchtet Putin sich in Allgemeinplätze

Es gab aber durchaus auch kritische Fragen: Ob Stabilität nicht in Stagnation umzuschlagen drohe, ob Russland autoritär regiert werde, und wie Putin sich die Nachfolgeregelung vorstelle. Der Präsident flüchtete sich in Allgemeinplätze. Stabilität sei Voraussetzung für Entwicklung, das Pochen auf die Erfüllung von Gesetzen stehe nicht im Widerspruch zu demokratischen Leitungsmethoden. Der nächste Staatschef Russlands werde nicht von ihm, Putin, ernannt, sondern vom Volk gewählt. Er hoffe, seinem Nachfolger sei noch mehr Glück beschieden als ihm selbst. Denn „im Vergleich zu anderen Entwicklungsperioden Russlands“ sei die jetzige nicht die schlechteste gewesen, „vielleicht sogar die beste“, so Putin wörtlich.

Auf Gerüchte zu seinem Gesundheitszustand angesprochen, sagte Putin, diese würden nur seinen Gegnern nützen. Diese „sind bemüht, mal die Legitimität, mal die Handlungsfähigkeit der Staatsführung in Zweifel zu ziehen“. Darauf könne er nur die traditionelle Antwort geben: „Ihr wartet umsonst.“ Zwar stand ihm beim Gang zum Rednerpult in der Tat der Schmerz ins Gesicht geschrieben, dennoch harrte er dort fast fünf Stunden aus und stellte damit seinen Rekord von 2008 ein.

Putin kündigt Maßnahmen gegen die US-Raketenabwehr an

Den Gesetzentwurf, mit dem Russlands Parlament am Mittwoch auf die von den Vereinigten Staaten beschlossenen Sanktionen gegen russische Menschenrechtssünder reagierte, wolle er in nächster Zeit lesen und je nach Inhalt entscheiden, ob er ihn mit seiner Unterschrift in Kraft setzt. Der Entwurf hatte auch international Negativschlagzeilen gemacht. Die Duma hatte neben Einreise-und Kontensperrungen für US-Beamte, die aus Moskauer Sicht die Rechte russischer Bürger missachten, auch die Adoption russischer Waisen durch amerikanische Familien gestoppt und US-Bürgern die Mitarbeit in russischen nicht staatlichen Organisationen untersagt.

An außenpolitischen Fragen arbeitete sich Putin erst kurz vor Schluss ab. Der geplante US-Raketenschild in Europa würde das strategische Gleichgewicht in der Welt zerstören und das Kampfpotenzial der russischen Atomraketen „auf null“ reduzieren. Um dies zu verhindern, müsse Moskau Gegenmaßnahmen ergreifen. Einen möglichen Machtwechsel in Syrien mit militärischen Mitteln kritisierte er als „insgesamt nicht effektiv“. Russland sei nicht um seine eigenen Interessen in der Region besorgt, die es „wenig beziehungsweise gar nicht gibt“, sondern setzte sich für eine Lösung ein, die den Zerfall des Staates und ständigen Krieg verhindert.