Schiffe des französischen Hubschrauberträgers Mistral sollen an Russland verkauft werden – trotz möglicher Sanktionen der EU. Die deutsche Wirtschaft macht sich Sorgen um die Folgen eines Handelsboykotts und fordert, diesen zu begrenzen.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die deutsche Wirtschaft spricht sich für ein härteres Vorgehen gegen Russland aus. Dies müsse aber mit Augenmaß geschehen, sagte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, der Stuttgarter Zeitung. Wenn es Sanktionen gebe, sollten diese zumindest zunächst auf einige Monate befristet werden, forderte Treier. Dann könne man überprüfen, ob sich das Verhalten Russlands im Ukraine-Konflikt verändert habe. Befristete Sanktionen seien zudem ein Signal, das den russischen Geschäftspartnern zeige, dass man gerne weiter mit ihnen zusammenarbeiten möchte. Unbefristete Sanktionen hingegen könnten die Wirtschaftsbeziehungen zerstören, sagte Treier. Schon jetzt sprächen russische Kunden deutscher Firmen intensiver mit Anbietern aus China, Japan oder Südkorea.

 

Ähnlich wie der Chef des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, erklärte auch Treier, in der aktuellen Krise gelte das Primat der Politik. Die Politik müsse vor ihren Entscheidungen aber auch wissen, welche Folgen diese haben können. Dies müsse die Wirtschaft deshalb auch klar sagen. Leiden könnten unter Sanktionen besonders die Fahrzeugindustrie und der Maschinenbau. Viele Un-ternehmen seien in den vergangenen Jahren politischen Aufforderungen zu einer Intensivierung der Geschäfte in Russland gefolgt. Bei Sanktionen gehe es um das Geld dieser Firmen, nicht um das Geld der Steuerzahler.

In Gefahr geraten könnten Arbeitsplätze bei deutschen Firmen im Inland, aber auch in Russland, erläuterte Treier. In Deutschland hingen 300 000 Stellen am Russlandgeschäft, bei russischen Tochterfirmen deutscher Unternehmen seien 250 000 Mitarbeiter tätig.

Russland ist für Maschinenbau viertwichtigster Markt

Laut Monika Hollacher, beim Maschinenbauverband VDMA zuständig für Russland und Zentralasien, gingen die Exporte der Maschinenbauer nach Russland von Januar bis Mai bereits um 20 Prozent zurück. Dies liege aber auch an der schlechten Lage der russischen Wirtschaft. Gleichwohl erwartet sie, dass die Betriebe versuchten, ihr Geschäft aufrechtzuerhalten. „Leichtfertig gibt dies niemand auf“, sagte Hollacher. Bei Problemen in der Vergangenheit hätten die deutschen Unternehmen in Russland „einen langen Atem bewiesen“. Bereits 2013 war der deutsche Maschinenexport nach Russland um 3,5 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro gesunken. Russland ist für die deutschen Maschinenbauer mit einem Anteil von etwa fünf Prozent der viertwichtigste Exportmarkt.

Der Anlagenhersteller Dieffenbacher aus Eppingen macht derzeit sogar ein Drittel seines Umsatzes von rund 450 Millionen mit Kunden aus Russland. An diese werden vor allem Anlagen und Maschinen für die Holzverarbeitung, etwa zur Herstellung von Spanplatten, geliefert. „Sanktionen könnten in höchstem Maße gefährlich für die Arbeitsplätze sein“, meinte der geschäftsführende Gesellschafter Wolf-Gerd Dieffenbacher. Schon jetzt spüre man einen Rückgang bei den Anfragen.

Umsätze im Russlandgeschäft bereits jetzt rückläufig

Ähnlich geht es auch dem Ventilatoren- und Motorenhersteller EBM-Papst aus dem hohenlohischen Mulfingen. Der Umsatz mit Russland liege „im zweistelligen Millionenbereich“ und sei schon jetzt um rund 15 Prozent zurückgegangen, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Rainer Hundsdörfer. Von Sanktionen wären nicht nur die direkten eigenen Lieferungen an Russland betroffen, erklärte Hundsdörfer. Zudem würden wohl auch die Aufträge von europäischen Kunden sinken, die ihrerseits wieder nach Russland lieferten. Diese Befürchtung habe er etwa von Kunden aus Skandinavien oder Italien gehört.

Klaus Stark, der Leiter des internationalen Vertriebs beim Steuerungs-und Sicherheitstechnikhersteller Pilz in Ostfildern, spürt, „dass jetzt schon Investitionen verschoben werden“. Warum dies geschehe, sei nicht immer klar erkennbar. Auch Stark befürchtet, dass die eigenen Lieferungen an europäische Maschinenbauer unter Sanktionen leiden könnten, wenn für diese ein wichtiger Absatzmarkt wegbräche. Die vor drei Jahren gegründete Niederlassung in Russland werde aber nicht zur Disposition gestellt, sagte Stark: „Solange es rechtlich möglich ist, werden wir bei unserer Niederlassung nichts ändern.“