Mit ihren Meisterkursen bei sechs Dozenten lockt die Cello-Akademie viele Studenten an.

Rutesheim - Die Finger von Yuya Okamoto entfachen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit herbstliche Stürme auf seinem Cello. Der 22-Jährige sitzt in einem Klassenzimmer des Gymnasiums seinem ebenfalls hinter dem Cello sitzenden Meister gegenüber: Jens Peter Maintz ist auch in diesem Jahr wieder einer der Dozenten der Meisterkurse der Cello-Akademie. Rund 150 hoch talentierte junge Cellisten haben sich für die Meisterkurse bei sechs Professoren beworben – neben Maintz sind das Claudio Bohórquez, Danjulo Ishizaka, Wolfgang Emanuel Schmidt, Wen-Sinn Yang und Troels Svane –, um sich musiktechnisch bis in die Fingerspitzen ordentlich durchzwirbeln zu lassen. 90 der 150 Bewerber sind ausgewählt worden.

 

„Sie sind alle auf einem Niveau, wo wir eigentlich nur noch Nuancen verbessern können“, sagt Maintz, der seit der ersten Cello-Akademie Teil der Dozentenschaft ist. Die Meisterkurse sind öffentlich und so sitzen auch an diesem Vormittag immer fünf bis zwölf Gäste an der Seite und hören zu. Ein Cello-Student verfolgt das große Virtuosität verlangende Bach-Prelude anhand seiner Noten, eine junge Frau schreibt derweil eigene Noten in ein Heft. Ab und an werden anerkennende Blicke unter den Zuhörern gewechselt: Hier lernt man auch dann eine Menge, wenn man nur zuhört und zuschaut.

Auf Kritik folgt auch Lob

Maintz ist kein Pädagoge zum Fürchten. Er kritisiert nicht nur, er lobt auch. Ist zugewandt, spielt vor, was er meint und spricht mit Körper und Bogen, um zu verdeutlichen, worum es ihm geht. „Du hast die schnellen Läufe deutlich gespielt, aber es gibt Momente, in denen die Schnelligkeit zum Selbstzweck wird“, sagt er etwa. Oder, bei der Allemande der Suite: „Du spielst objektiv, mir fehlt da ein bisschen die subjektive Empfindung. Such die introvertierten Momente.“ An anderer Stelle wiederum war Maintz das Vibrato „ein bisschen zu plakativ eingesetzt.“ Der 22-jährige Okamoto studiert in München Cello bei Wen-Sinn Yang. Er hat sich schon zum dritten Mal bei der Cello-Akademie für Maintz als Dozenten beworben und viel von ihm gelernt. „Ein anderer Lehrer inspiriert mich schon wegen seiner anderen Vorstellungen“, sagt Okamoto. „Und die musikalischen Ideen meines Dozenten passen irgendwie ganz natürlich zum Stück“. Die Kritik von Maintz an seinem etwas beliebig gestreuten Vibrato findet er absolut in Ordnung. „Er hat immer recht!“ Voll des Lobes für seinen Dozenten ist auch Joel Blido, der zurzeit an Schostakowitschs Sonate für Cello und Klavier arbeitet. Blido spielt seit seinem vierten Lebensjahr.

Lieblingskomponist? Schostakowitsch!

Seit zwei Jahren schon studiert er in Weimar bei Wolfgang Emanuel Schmidt. Schostakowitsch ist sein Lieblingskomponist. Nachdem der 18-jährige Student Maintz den 1. Satz einmal, begleitet am Klavier von Keiko Tamura, ganz vorgespielt hat, geht es gemeinsam ans Feilen des Satzes, der auf unbedarfte Zuhörer zyklopenhaft schwierig wirkt. „Nicht immer aufs Cello schauen“, ermahnt Maintz. Oder: „Das war gut phrasiert, aber es klang mir zu heroisch. Das sollte lyrischer klingen.“ „Das Wichtigste für mich ist, dass die Studenten eine eigene Sprache finden“, erklärt Jens Peter Maintz, der seit 2004 eine Cello-Professur an der Universität der Künste in Berlin innehat. „Es geht nicht darum, Regeln und Interpretationsmodelle einzuhalten. Die muss man kennen, dazu aber seine eigene Interpretation finden.“ Mal fehlt es ihm an bestimmten Stellen an der Modulation, am Farbenreichtum. Mal schaut jemand zu viel aufs eigene Instrument, weswegen Jens Peter Maintz die Studenten manchmal bittet, die Augen zu schließen. „Gewohnheiten erkennen und aufbrechen“ – auch dafür sei das Spiel bei einem „fremden“ Dozenten hilfreich. Nur wer so hart an sich, seiner Technik und seinen Interpretationen arbeitet, scheint es, kann als Künstler zu einem guten Medium des Komponisten werden.

Ein schönes Erlebnis ist die Cello-Akademie nicht nur für die lernbegierigen jungen Musiker, die den Erfahrungsschatz ihrer Dozenten begierig aufnehmen. Auch Maintz nimmt viele neue Eindrücke und Anregungen mit nach Hause. Bei den Dozenten-Konzerten vor so vielen Cellisten aufzutreten, sei immer etwas Besonderes, sagt er. Und er selbst lerne viel beim Unterrichten, frei nach dem Motto, das der Geiger und Dirigent Itzhak Perlman einmal formuliert habe: „Verpasse nie die Gelegenheit, andere zu unterrichten. Wer andere etwas lehrt, bringt sich auch selbst etwas bei.“