Gesangverein Liederlust Perouse und Kirchengemeinde erinnern ans Gnadenpatent von 1848, das Waldensern im Piemont ihre bürgerlichen und politischen Rechte zurückbrachte.

Rutesheim - Wenn am Sportheim Perouse riesige Flammen zum Himmel lodern, ist das kein Grund, die Feuerwehr zu alarmieren. Es ist ein Grund zur Freude, denn es ist ein weit sichtbares Zeichen der Freude über den Sieg aufrechter Menschen über Tyrannei, Knechtschaft und Intoleranz. Mit diesem Freudenfeuer wird immer am 17. Februar an eine tief greifende Begebenheit in der Waldensergeschichte erinnert.

 

Was in anderen Waldensergemeinden Tradition ist, haben Gesangverein Liederlust Perouse und die evangelische Kirchengemeinde 2011 aufgegriffen. Die Teilnehmer treffen sich zu einer Andacht in der örtlichen Kirche, ziehen dann mit Fackeln zum Sportheim. Hier wird das Freudenfeuer entzündet.

Streit um wichtige Passwege

Was ist der Anlass? Am Vorabend der Reformation lebten die meisten Waldenser in den Cottischen Alpen. Seit dem Mittelalter stritten sich das Königreich Frankreich und das Herzogtum Savoyen (Piemont) um diesen Teil der Alpen mit seinen wichtigen Passwegen. Die deutschen Waldenser stammen aus dem bis 1696 französischen linken Ufer des Perosa-Tales. Unter dem Druck des französischen Königs Ludwig XIV. wies der Herzog von Savoyen 1698 alle Waldenser französischer Herkunft aus, sofern sie nicht katholisch werden wollten. Zugleich verpflichtete er sich, in den von Frankreich zurückerhaltenen Gebieten keine Waldenser zu dulden. Vertriebene Waldenser fanden in Württemberg, Baden und Hessen eine neue Heimat. 1699 gründeten Flüchtlinge aus dem Perosa-Tal auf Heimsheimer Gemarkung die Kolonie Perouse.

Während hierzulande die Waldenser bürgerliche und politische Rechte erhielten und ihren protestantisch reformierten Glauben frei bezeugen konnten, mussten sie im Piemont bis 1848 warten, bis sich ihre Lage wirklich verbesserte. Unter dem Duck der revolutionären Ereignisse in Europa unterzeichnete König Karl Albert am 17. Februar 1848 die „regie patenti“, ein Emanzipationsedikt, worin er erklärte: Die Waldenser bekommen alle bürgerlichen und politischen Rechte zuerkannt (welche die katholischen Untertanen besaßen).

Waldenser weiterhin nur toleriert

Religiös-kirchlich änderte sich offiziell nichts, die Waldenser wurden weiterhin nur toleriert. Ihre Gottesdienste und Schulen durften im Prinzip nur von Waldensern besucht werden.

Trotzdem nahmen die Waldenser das Emanzipationsedikt mit großer Freude auf. In ihren Tälern brennen seitdem am Vorabend des 17. Februars die „falò“ (Freudenfeuer). Anfangs brannte bei jeder Waldenserfamilie ein Feuer im eigenen Hof, ob oben in den Bergen oder im Tal. Heute trifft man sich an mehreren zentralen Stellen der Täler und entzündet riesige Holzhaufen. Ein Bibeltext wird ausgelegt und Glaubenslieder gesungen. Am 17. Februar, dem Haupttag aller Festlichkeiten, werden Gottesdienste gefeiert. Die Woche des 17. Februar wird die „settimana della libertà“ (Woche der Freiheit) genannt.