Der Essener Versorger RWE muss sich für Jahre auf deutlich weniger Gewinn einstellen. Der Vorstand möchte die Dividende für 2013 auf einen Euro halbieren. Dadurch fehlen vielen Kommunen in Nordrhein-Westfalen hohe Millionenbeträge.

Essen - Die Aktionäre, die am Mittwoch zur Hauptversammlung von RWE nach Essen gekommen waren, hatten mehr von Ihrem Unternehmen erwartet. Vor allem eine höhere Dividende. Peter Terium, der niederländische Chef des deutschen Energiekonzerns, wusste das. Vorstand und Aufsichtsrat hätten sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, die Dividende für 2013 auf einen Euro zu halbieren, sagte er in der Gruga-Halle. Zum langfristigen Wohl des Unternehmens müsse sie aber der Ertragslage und den unsicheren Rahmenbedingungen auf dem Energiemarkt angepasst werden. Das entlaste RWE 2013 um 600 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr.

 

Das sind allerdings genau die Hunderte von Millionen Euro, die viele Stadtkämmerer im Ruhrgebiet und in ganz Nordrhein-Westfalen bereits in ihre Haushaltspläne eingerechnet hatten und die ihnen fehlen werden. Städte und Kreise besitzen rund 25 Prozent der RWE-Anteile. Die waren in der Vergangenheit eine ziemlich sichere Einnahmequelle. Die Erträge daraus werden aber künftig schmaler. 40 bis 50 Prozent des nachhaltigen Nettoergebnisses will RWE von diesem Jahr ausschütten. Das sind nach heutigem Stand zwischen 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro. Es könnten aber künftig weniger werden, denn die Verkaufspreise für Strom sind gesunken, von 45 Euro pro Megawattstunde Ende 2012 auf 33 Euro in diesem Monat. Das mindert Erlös und Ergebnis von RWE. Zurzeit hat sich diese Entwicklung noch nicht voll in der Gewinn- und Verlustrechnung niedergeschlagen, weil Strom auf mehrere Jahre im Voraus verkauft wird. Der Umsatz ist also noch von höheren Strompreisen bestimmt. Von 2016 an werde man aber die heutigen niedrigeren Preise in der Bilanz sehen, sagte Terium. Das Ergebnis könne zwar stabilisiert werden, aber auf niedrigerem Niveau als heute. 2014 müsse mit einem weiteren deutlichen Ergebnisrückgang gerechnet werden, der größer sein könnte als zehn Prozent. Auf einen steigenden Aktienkurs können die Aktionäre nicht hoffen. Er ist in den vergangenen fünf Jahren bereits um 50 Prozent gesunken.

Das hat ebenfalls Folgen für die Kommunen, die an RWE beteiligt sind. Sie müssen den Wert ihrer Anteile berichtigen. Deshalb schrumpft das kommunale Vermögen, und die Kreditwürdigkeit sinkt. Der Abschreibungsbedarf kann insgesamt mehrere Milliarden Euro betragen, je nachdem, wann die Aktien zuletzt bewertet worden sind. Die Ruhrgebietsmetropole Essen, die zu den größten kommunalen Anteilseignern gehört, muss ihr Vermögen wegen des Kursverfalls um rund 680 Millionen Euro nach unten korrigieren, der Rhein-Sieg-Kreis um 84 Millionen Euro und viele andere Kommunen ebenfalls in Millionenhöhe. Müssen sie die Aktien verkaufen, weil sie Geld brauchen, bekommen sie deutlich weniger dafür als in der Vergangenheit. RWE selbst musste auch kräftig abschreiben, insgesamt rund 4,8 Milliarden Euro 2013. Das führte erstmals seit 60 Jahren zu einem Verlust von 2,8 Milliarden Euro.

Trotz düsterer Aussichten loben Aktionärsschützer den Sparkurs

Die Lage sei sehr ernst, sagte Terium. Die Schulden seien hoch, weil RWE in den vergangenen Jahren viel in neue Kohle- und Gaskraftwerke investiert habe. Die würden aber nun durch hoch subventionierten Solarstrom aus dem Markt gedrängt. Deshalb müsse RWE auch ganz neue Kraftwerke vom Netz nehmen, wie das eben erst fertig gestellte Gaskraftwerk Claus C in den Niederlanden. Mit einem Programm zur Kostensenkung will RWE der Entwicklung begegnen. Damit sollen dauerhaft zwei Milliarden Euro gespart, und das Ergebnis soll so um 1,5 Milliarden Euro verbessert werden. Der Einbruch im Kraftwerksgeschäft könne damit aber nicht aufgefangen werden, sagte Terium.

RWE wolle auf der Basis solider Finanzen langfristig wachsen, kündigte er an. Das Wachstum solle mit Blick auf die Finanzen aber nicht gekauft, sondern Stück für Stück erarbeitet werden. Vor allem die Märkte in Zentral- und Osteuropa will RWE ausbauen wie in Tschechien und Polen. In Deutschland werde ins Verteilnetz und in neue Dienstleistungen für Privatkunden und Firmen investiert. Auch die Stromerzeugung mit Windrädern an Land will der Konzern verstärken.

Trotz der düsteren Aussichten lobten Aktionärsschützer den derzeitigen Sparkurs des Unternehmens: „Herr Terium, wir halten den von Ihnen eingeschlagenen Weg für absolut richtig und dringend notwendig“, sagte der Fondsmanager Ingo Speich. Kostendisziplin, Kraftwerksstilllegungen und Jobabbau seien zwar unpopulär, aber unvermeidbar. „RWE muss sich gesundschrumpfen und braucht an der Spitze keinen Visionär, sondern einen Sanierer.“ Allerdings seien nach der Restrukturierung neue strategische Impulse erforderlich. „Wir erwarten spätestens zur nächsten Hauptversammlung konkretere Ziele“, sagte der Fondsmanager von Union Investment. Zu der geplanten Dividendenhalbierung gab es kaum ein Wort der Kritik. Der Vorschlag wird auch von den gebeutelten Kommunen unterstützt. Andere Aktionärssprecher zeigten sich angesichts der wenig erfreulichen Nachrichten verunsichert: „Womit verdient RWE in fünf Jahren sein Geld – das ist die Gretchenfrage“, sagte Marc Tüngler von der Schutzvereinigung für den Wertpapierbesitz.