Exklusiv Die Landespolitik schaltet sich in den „Rostwasser“-Streit bei Stuttgart 21 ein. Das Umweltministerium regt an, die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in die Kontrolle des Wassers in den Rohren des Grundwassermanagements miteinzubinden. Die Bahn ist dazu nicht verpflichtet.

Stuttgart - In der Auseinandersetzung über die Qualität des S-21-Grundwassermanagements schaltet sich nun auch die Landespolitik ein. Das von dem Grünen Franz Untersteller geleitete Umweltministerium hat der Bahn vorgeschlagen, das Wasser in den blauen Rohren, das aus den Baugruben abgepumpt, gereinigt und dann wieder in den Untergrund oder in den Neckar geleitet wird, nicht nur auf abfiltrierbare Stoffe untersuchen zu lassen, sondern auch explizit auf Eisen. Damit könne die unabhängige Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) beauftragt werden. „Wir wollen damit zu einer Versachlichung der Debatte beitragen“, bestätigte ein Sprecher gegenüber der Stuttgarter Zeitung den Vorstoß.

 

Intensivere Überwachung seit Mitte August

Die mögliche Belastung des Wassers durch Eisen hatten die S-21-kritischen Ingenieure 22 aufgebracht. Aufgrund von selbst gezogenen und in unabhängigen Labors untersuchten Proben erhoben sie den Vorwurf, dass „Rostwasser“ in den Rohren sei. Der Rost, so ihr Verdacht, entstehe durch Korrosion in den Rohren. Es bestehe die Gefahr, dass er die sensible Grund- und Mineralwasserschicht schädige. Mittlerweile haben sie gegen den Bauherrn Bahn, die Firma Hölscher, das städtische Amt für Umweltschutz und das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) wegen des Verdachts auf ein Umweltdelikt Strafanzeige gestellt. Die Entscheidung, ob ein Verfahren eingeleitet wird, soll erst in einigen Wochen fallen. Mittlerweile hat das EBA wie vom Umweltschutzamt empfohlen, eine intensivere Überwachung angeordnet, die seit Mitte August erfolgt und die bisher keine erhöhten Werte erbrachte. Allerdings gibt es, das bestätigten Stadt und EBA vor einer Woche, eine Probe aus dem Mai, in der der Anteil an abfiltrierbaren Stoffen, das sind feine, nicht gelöste Partikel, 22 mg/l betrug und damit über dem Grenzwert von 20 mg/l lag. Dieses Ergebnis hatte das S-21-Kommunikationsbüro zuvor nicht mitgeteilt, was Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) dazu veranlasste, eine offenere und transparentere Informationspolitik von der Bahn zu fordern.

Ministerium will Versachlichung der Debatte

Vor diesem Hintergrund ergreift nun das Umweltministerium die Initiative. „Aus unsere Sicht sind Werte gemessen worden, mit denen Verfärbungen des Wassers nicht erklärbar sind“, sagte der Ministeriumssprecher. Er bezieht sich dabei nicht nur auf die Proben der Ingenieure 22, sondern auch auf die rostbraune Farbe des Wassers, das aus einem Rohr ausgetreten war, gegen das Ende Juni ein Lastwagen gefahren war. Das Fachministerium schlägt deshalb vor, dass im Rahmen des vom EBA bis Mitte Oktober angeordneten Monitoring auch der Eisenanteil gemessen wird. Dafür biete seine Haus die Unterstützung durch das LUBW an, sagte der Sprecher. Er betonte aber zugleich, dass die Bahn dazu rechtlich nicht verpflichtet sei. Eine Reaktion auf den erst wenige Tagen alten Vorstoß gebe es noch nicht. Das Ministerium glaube aber, dass mit einer genaueren Analyse die Färbung erklärt und die Debatte durch den Einsatz eines unabhängigen Instituts versachlicht werden könne.

S-21-Kritiker üben Kritik am Vorgehen

Zwischenzeitlich haben nämlich die Ingenieure 22 und der Regionalverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zwar begrüßt, dass eine intensivere Überwachung angeordnete worden ist. Sie üben aber scharfe Kritik am konkreten Vorgehen. So hätten Augenzeugen beobachtet, wie Mitarbeiter der Firma Hölscher nicht nur die Proben entnommen, sondern davor auch die Leitungen fast eine Stunde gespült hätten. „Das Rostwasser wird durch länger dauerndes Ablassen durch klares Wasser ersetzt“, sagt Hans Heydemann von den Ingenieuren 22. Durch die Spülung werde der Rost, der unter normalen Bedingungen ins Heilquellenschutzgebiet infiltriert worden wäre, entfernt, was „die Messungen nicht nur wertlos macht, sondern auch eine Täuschung der Öffentlichkeit darstellt“, kritisiert Heydemann. Er habe darüber auch das EBA und das städtische Amt für Umweltschutz informiert, verbunden mit der Forderung, die Proben durch ein unabhängiges Institut nehmen zu lassen. Allerdings hatten die beiden Ämter zuvor erklärt, dass die Proben von einem zertifizierten Prüflabor entnommen und analysiert würden. „Das Amt für Umweltschutz überwacht die ordnungsgemäße Entnahme der jeweiligen Proben vor Ort und beurteilt die vorgelegten Analysebefunde“, heißt es dazu in einer Mitteilung der Stadt.

Ruf nach unabhängigen Experten

Auch der BUND-Regionalverband fordert ein Ende der Spülvorgänge und den Einsatz unabhängiger Experten. Zudem sollte die Probenahme unangemeldet und an vorher nicht bekannten Stellen vorgenommen werden, sagte der Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer: „Wenn es so weitergeht wie von Zeugen geschildert, wird die Wasserüberwachung zur Farce.“