Der Kreistag muss spätestens in drei Jahren seine S-Bahnen bestellen – ohne zu wissen, ob Göppingen überhaupt ans Netz angeschlossen wird.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Für den Landkreis Göppingen gilt die S-Bahn als das Verkehrsmittel der Zukunft. Manche Kreisräte haben sich jetzt aber an ein fast vergessenes Vehikel aus der realsozialistischen Vergangenheit Deutschlands erinnert gefühlt. Zehn Jahre mussten die Werktätigen in der DDR damals auf ihren Trabi warten. Und nun verkündete der Nahverkehrsexperte des Landkreises Jörg-Michael Wienecke, dass es bei der S-Bahn nicht viel besser aussieht.

 

Spätestens im Jahr 2015 müsse der Kreis das notwendige Zugmaterial bestellen. Nur dann könne man sichergehen, dass die Stuttgarter S-Bahn wie geplant 2020 oder 2021 bis nach Göppingen und Geislingen fahren könne. Ansonsten verlöre der Kreis gleich mehrere Jahre. Das "sehr enge Zeitfenster der Industrie" habe auch ihn überrascht, bekannte Jörg-Michael Wienecke, der von den Geschäftsführern des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS) auf die Problematik hingewiesen wurde.

Erst wieder 2025 zum Zuge

Der Hintergrund sei, dass der VVS nur alle paar Jahre eine Charge mit S-Bahn-Zügen bestelle. Diese würden dann speziell auf die Stuttgarter Verhältnisse zugeschnitten. Verpasse der Kreis Göppingen diesen Termin, käme er voraussichtlich erst wieder im Jahr 2025 zum Zuge, wenn die nächste Charge zur Bestellung anstehe.

Das Problem: ein S-Bahn-Zug kostet fünf Millionen Euro. Allerdings ist bis jetzt noch nicht klar, ob und wie ein solcher S-Bahn-Betrieb überhaupt funktioniert. Zwar hatte der Kreis zusammen mit dem Verband Region Stuttgart und der Industrie- und Handelskammer bereits im Jahr 2009 eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Sie hatte wegen Veränderungen in der Angebotskonzeption 2020 des Landes aber wieder zurückgezogen werden müssen.

Unterstützung bei Landesverkehrsminister gesucht

Seither wartet der Kreis Göppingen auf ein Testat der zuständigen DB-Netz, in dem die Verfügbarkeit der Trassen zugesichert wird - bis jetzt vergeblich. Obwohl schon mehrfach versprochen, sei das Testat auch jetzt nicht in greifbarer Nähe, sagte der Landrat Edgar Wolff (parteilos). Und ob sich daran bis zum Jahr 2015 etwas ändert, ist ungewiss. Auch die Frage, wann mit dem Testat zu rechnen sei, blieb unbeantwortet. Er habe kurz vor Weihnachten deshalb den Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) angeschrieben und um Unterstützung gebeten.

Im Göppinger Kreistag stößt all dies auf wachsendes Unverständnis. Die Situation sei absurd, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rapp. "Wir wissen noch nicht, ob ein S-Bahn-Betrieb möglich ist, doch gleichzeitig sollen wir Wagenmaterial bestellen." Der SPD-Verkehrsexperte Arnulf Wein kritisierte, dass es für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 immer noch keine ausformulierte Angebotskonzeption gebe.

S1 soll erweitert werden

Ein Testat sei doch keine unmögliche Aufgabe, schimpfte die Grünen-Fraktionschefin Martina Zeller-Mühleis und stellte fest: "Man lässt uns am langen Arm verhungern." Der Landrat sieht hingegen jetzt die Chance, die Bemühungen voranzutreiben. Das Datum 2015 erzeuge einen "willkommenen Druck", den er nun noch erhöhen möchte. Er denke daran, denselben Kreis aus Politikern und Wirtschaftsvertretern zu aktivieren, der sich auch für den Weiterbau der B10 starkmache, sagte Wolff.

Nach den bisherigen Plänen soll die S1, die von Herrenberg nach Plochingen fährt, stündlich in den Landkreis Göppingen verlängert werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Schnellbahnverkehr über die dann fertige Neubaustrecke geführt wird. Die S-Bahn könnte sich dann im Halbstundenrhythmus mit einer S-Bahn-ähnlichen Regionalbahn abwechseln, die von Ulm kommt, im Kreis Göppingen alle Stationen anfährt, in Richtung Stuttgart aber nur noch in den größeren Städten hält.