Mit Lautsprecherdurchsagen geht die Bahn gegen bettelnde Musiker vor: „Man tut den Leuten nichts Gutes, wenn man ihnen Geld gibt. Sie müssen es direkt an ihre Hintermänner abliefern“, sagt ein Sprecher der Bahn.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Bei Durchsagen in der S-Bahn rechnet der Pendler mit Verspätungsansagen und der Bekanntgabe von Umsteigemöglichkeiten. Mit dem Hinweis auf soziale Probleme oder Konflikte hingegen nicht. Daher staunen die Fahrgäste auch nicht schlecht, als sie vom Band erfahren, dass Bettler im Zug sein könnten. Da manche Fahrgäste sich von den Geldsammlern belästigt fühlen würden, solle man davon absehen, Geld zu geben. So sollen die Bettler demotiviert werden, in den Bahnen zu sammeln. Verboten ist es ohnehin.

 

Bei Bettlern und bettelnden Musikern sind Strecken mit langen Abschnitten zwischen den Haltestellen beliebt. So zum Beispiel der Abschnitt zwischen der Schwabstraße und dem Bahnhof Vaihingen. Wer hier häufig unterwegs ist, hört mitunter Akkordeonmusik, und anschließend geht der Spieler mit der Mütze herum und bittet um Geld. Nicht nur sei Betteln verboten, so ein Sprecher der Bahn. Meist seien die Personen, die um Gaben bitten, von professionellen Banden vorgeschickt – eine Einschätzung, die vom Ordnungsamt der Stadt und von der Polizei bestätigt wird. „Man tut den Leuten nichts Gutes, wenn man ihnen Geld gibt. Sie müssen es direkt an ihre Hintermänner abliefern.“ Auch darauf weist die Stimme vom Band hin.

Auch in anderen Städten läuft die Durchsage

Die Durchsage in den S-Bahnen ist keine Stuttgarter Besonderheit. „Wir haben die zentral eingespeichert. In Hamburg, Berlin, München und Frankfurt, wo wir ebenfalls S-Bahnen betreiben, läuft die identische Durchsage vom Band.“ Sie wird jedoch nicht automatisch abgespielt – wie etwas „Ausstieg in Fahrtrichtung links“ –, sondern nur, wenn es einen Anlass gibt. „Entweder der Fahrer nimmt an der Haltestelle wahr, dass Bettler oder bettelnde Musikanten zusteigen, oder ein Fahrgast beschwert sich“, so der Sprecher der Bahn. Dann kann der Lokführer die Ansage in den S-Bahn-Wagen abspielen lassen. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hat keine vergleichbare Regelung. „Bei uns sind wohl auch keine Bettler in den Bahnen. Es gibt keine Beschwerden von Fahrgästen, auch das Sicherheitspersonal meldet nie etwas“, sagt Susanne Schupp, die SSB-Sprecherin.

Betteln ist in den Bahnen und auf dem Gelände der Bahn, also auch in den Bahnhöfen, verboten. Im öffentlichen Raum ist es grundsätzlich möglich, jedoch gibt es Regeln. So dürfen Bettler nicht auf Passanten zugehen, um nach Geld zu fragen. Auch sogenanntes „Demutsbetteln“ in unterwürfigen Posen – etwa auf Knien – ist untersagt. Vor allem, da die Bettler von Banden vorgeschickt werden, versucht der Vollzugsdienst der Stadt die Regeln durchzusetzen.

Die Hintermänner kassieren ab

In den zurückliegenden Jahren sind oft vor Weihnachten zu viele Bettlerbanden in die Stadt gezogen. „Seit dem vergangenen Jahr haben wir das Phänomen, dass sie den ganzen Sommer über dableiben, das ist neu“, sagt Hans-Peter Longin, der Sachgebietsleiter des Vollzugsdienstes im Ordnungsamt. Die Problematik der Abkassierer im Hintergrund sei sommers wie winters die gleiche. „Traurig ist, dass auch ganze Familien mit Kindern darunter sind.“ Die Bettler kommen meist aus Osteuropa und werden von Banden in armen Gegenden rekrutiert. So hart der Rat auch klingen mag, nichts zu geben: „Die Probleme in der Heimat löst man nicht, die Not lindert man kaum, weil ja nichts bei den Bettlern bleibt“, so Longin.

Im Sommer würden viele Bettler in der Stadt campen. „Mal findet man einen Wohnwagen, wir haben auch schon kleine Zeltstädte im Schlossgarten gefunden.“ Zuletzt seien vor etwa zwei Wochen Zelte auf dem Gelände des Staatstheaters im Oberen Schlossgarten entdeckt worden. „Natürlich tauchen die dann irgendwo anders wieder auf, wenn man sie an einer Stelle vertreibt“, sagt Longin. Das Amt habe keine Erkenntnisse, wie viele Bettler in der Stadt unterwegs seien. „Aber so viele wie zur Weihnachtszeit sind es nicht.“