Die Bahn untersucht derzeit, wieso es im S-Bahn-Verkehr in und rund um Stuttgart immer wieder zu Verspätungen kommt. Ein Zwischenbericht hat nun gezeigt: Nicht nur der stark befahrene Innenstadttunnel ist das Problem.

Lokales: Alexander Ikrat (aik)

Stuttgart - Die Bahn-Tochter DB Netze simuliert derzeit in fünf Stufen den S-Bahn-Betrieb in Stuttgart und der Region, um Erkenntnisse für einen pünktlicheren Betrieb zu gewinnen. Ein Zwischenbericht für Stufe zwei und drei hat jetzt gezeigt, dass es nicht nur im Innenstadttunnel Probleme gibt.

 

Die Präsentation der Bahn-Tochter bestätigt unter anderem, dass die Wendezeiten an einigen Endpunkten zu knapp bemessen sind. Besonders eklatant ist dies bei der S 2 in Schorndorf, wo der Zugführer nur knapp acht Minuten Zeit dafür hat, den Führerstand zu wechseln, und durchschnittlich schon bei der Abfahrt 52 Sekunden Verspätung hat. Auch die S 3 in Backnang (Wendezeit achteinhalb Minuten) und die S 6 in Weil der Stadt (knapp sechs Minuten) kommen zu spät in die Gänge. Überraschend ist, dass sogar die S 5 in Bietigheim schon beim Start 15 Sekunden Verspätung hat, obwohl die Wendezeit mit gut 13 Minuten vergleichsweise komfortabel bemessen ist. Jürgen Wurmthaler, Direktor für Wirtschaft und Infrastruktur beim für den S-Bahn-Betrieb zuständigen Verband Region Stuttgart, kann sich vorstellen, dass dies mit dem Mischbetrieb in Bietigheim zu tun hat – schließlich kommen dort auch die Regionalzüge aus Pforzheim und aus Heilbronn durch.

Mischverkehr auf 37 Prozent der Gleise

Eine weitere Erkenntnis der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses: die Regionalzüge bringen noch mehr Verspätungen mit als die S-Bahnen. 2014 hatten 95 Prozent aller S-Bahnen eine Verspätung von unter sechs Minuten oder waren pünktlich, bei den Regionalzügen waren es 92,5 Prozent. „Wir können bei der S-Bahn schon nicht zufrieden sein“, sagte CDU-Regionalrat Rainer Ganske, „aber die Werte beim Land sind ja noch viel schlechter, da passt bei uns kein Anschluss mehr.“ SPD-Sprecher Thomas Leipnitz führt das auf den 2003 von der Landes-CDU abgeschlossenen Verkehrsvertrag mit der Bahn zurück, der keine Belohnungen oder Bestrafungen für gute oder schlechte Qualität enthalte.

Das ändert sich zwar mit den derzeit laufenden Ausschreibungen – ob dadurch aber die Regionalzüge pünktlicher werden, lässt sich erst in ein paar Jahren sagen. Die Betriebssimulation macht aber schon jetzt deutlich, dass der Mischbetrieb mit den Regionalzügen auf 37 Prozent der Gleise Auswirkungen hat. Die S-Bahnen, die von Bad Cannstatt aus zum Hauptbahnhof fahren, kommen im Durchschnitt mit 42 Sekunden Verspätung an. Kämen ihnen keine Regionalzüge in die Quere, die Vorfahrt haben, wären es zumindest 19 Sekunden weniger.

Neue Züge für fliegende Wechsel

Weitere Problemstellen, die in der Simulation zu Tage getreten sind und deren Ursachen teilweise noch erforscht werden müssen: die eingleisige Strecke zwischen Marbach und Backnang (S 4), Wernau–Plochingen und Mettingen sowie Vaihingen–Goldberg auf der S 1, die S 6 bei Leonberg in Fahrtrichtung Süden; Goldberg–Vaihingen (S 1) sowie die Wenden in Filderstadt (S 2) und am Flughafen (S 3) in Richtung Norden. Unter anderem weil das Problem der Wenden schon länger bekannt ist, hat die Regionalversammlung im Dezember 2014 zehn Züge im Wert von 81,5 Millionen Euro bestellt, die künftig im fliegenden Wechsel mit den einfahrenden Zügen losfahren sollen. Diese werden von Juli an ausgeliefert.

Dass der Zulauf zum Innenstadttunnel von Bad Cannstatt und Feuerbach her ein Nadelöhr ist, wurde einmal mehr bestätigt. Hier setzt die Mehrheit der Runde auf Stuttgart 21, zum Beispiel Bernhard Maier von den Freien Wählern: „Das Netz wird eine erhebliche Entlastung an diesen kritischen Stellen erfahren.“ Mit Blick auf Stuttgart ist für den früheren Böblinger Landrat aber klar geworden: „Die Vorstellung, dass man noch viele zusätzliche Fahrgäste in der S-Bahn unterbringen kann, ist eine Illusion. Dafür brauchen wir mehr Infrastruktur.“ Gemeint sind mehr als zwei S-Bahn-Gleise unter der Innenstadt.