Eine Inititaive macht auf die Missstände an S-Bahnhöfen im Remstal aufmerksam. Die klaffenden Spalten zwischen den Bahnsteigen und den Waggons seien gefährliche Fallen, nicht nur für Geh- und Sehbehinderte.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Kernen - Die Normhöhen der Bahnsteigkanten und der Böden der S-Bahnen, die nicht übereinstimmen, sind nicht nur ein Aufreger für Menschen, die geh- oder sehbehindert sind. Seit zwei Jahren weist der Initiativkreis Barrierefreier Rems-Murr-Kreis auf Missstände hin, die nicht nur Behinderten die Fahrten mit den Bahnen vergällen. „Es sind auch alte Menschen betroffen oder Leute, die zeitweise gehandicapt sind, weil sie sich verletzt haben“, sagt Hermann Kolbe, der zu den Initiatoren der Gruppe zählt. In dieser sind Behinderte und Nichtbehinderte engagiert, deren Ziel ist, die Hindernisse an den Bahnhöfen im Remstal zu beseitigen.

 

Falle zwischen Bahnsteig und Waggon

Allein die unterschiedlichen Höhen von S-Bahnen und Bahnsteigen bilden schier unüberwindliche Hindernisse für Menschen, die auf Gehhilfen oder Rollstühle angewiesen sind. „Das ist ein Höhenunterschied von 30 Zentimetern. Außerdem gibt es bei Bahnhöfen, die an einer Kurve liegen, einen Spalt von rund 20 Zentimetern. Da komme ich nicht in die S-Bahn hinein“, sagt der Rollstuhlfahrer Simon Maier, der beim Kreisjugendring arbeitet. Er sei auf die S-Bahn angewiesen, um zur Arbeit zu fahren. „Die Zugführer haben zwar Rampen, die sie für uns hinlegen, aber an manchen Bahnhöfen steht der Zug so weit vorne, dass die Rampe an der Wiese endet. Wenn man da bei Regenwetter hineingerät, kommt man allein nicht mehr raus“, sagt Maier.

Eine andere Rollstuhlfahrerin berichtet, dass sie eine Odyssee von mehr als vier Stunden hinter sich bringen musste, als sie sich an einem Wochenende spontan entschloss, mit Freunden Kaffee zu trinken. Da an mehreren Bahnhöfen die Aufzüge außer Betrieb waren, musste die Frau mehrmals zu einer weiter entfernten Station fahren und die Richtung wechseln, um an ihr ursprüngliches Ziel zu kommen. Ihre Fahrt gab sie schließlich entnervt auf. Unter anderem war sie auf einem Bahnsteig am falschen Ende der Bahn angekommen. „Ich habe es nicht rechtzeitig bis zum Fahrer geschafft. Also musste ich auf die nächste Bahn warten.“ Ohne Kaffee, aber mit einer schlechten Erfahrung mehr sei sie schließlich nach Hause zurückgekehrt.

Einige Leute aus Kernen fahren nicht mehr S-Bahn

Die Initiative hat vor allem die Bahnhöfe Stetten, Rommelshausen und Beinstein im Blick, da hier der Spalt zwischen Bahn und Bahnsteig besonders gefährlich sei. „Einige Leute sagen deshalb mittlerweile, sie fahren nicht mehr mit der S-Bahn“, so Ebbe Kögel, Mitglied in der Initiativgruppe und Gemeinderat in Kernen. An der Haltestelle Rommelshausen seien bereits mehrere ältere Leute in den Spalt gefallen. „Sie trauen sich aber nicht, etwas zu sagen oder etwas gegen die Bahn zu unternehmen“, sagt Kögel. Dabei habe die Deutsche Bahn bereits 1994 einen Vertrag für den barrierefreien Ausbau der Bahnhöfe unterschrieben. Doch nichts passiere.

Absage für Ausbau bis zur Gartenschau

Wie berichtet, hatte der Bahn-Bevollmächtigte für Baden-Württemberg, Sven Hantel, im Mai dem Ausbau der Bahnhöfe rechtzeitig zur Interkommunalen Gartenschau 2019 im Verkehrsausschuss der Region eine Absage erteilt. Da auf den Strecken auch Regional-, Fern- und zum Teil überbreite Güterzüge fahren, könnten die Bahnsteige aus technischen Gründen nicht angehoben werden. Außerdem fehlten der Bahn Finanzierungszusagen durch die betroffenen Kommunen und den Rems-Murr-Kreis für den barrierefreien Ausbau der Bahnhöfe bis zur Gartenschau. Mindestens fünf Jahre Vorlaufzeit wären notwendig, so Hantel, um einen Umbau rechtzeitig fertig stellen zu können. „Der Zug ist abgefahren“, sagte der Bevollmächtigte. Überdies sei der Umbau aus besagten technischen Gründen nicht möglich.

Damit will sich die Initiativgruppe nicht abspeisen lassen. Sie trommelt weiter gegen die Missstände.„Es muss sich was ändern, bevor es einen Toten an einem der Bahnsteige gibt“, sagt Ebbe Kögel.