Ohne das Wissen des Gremiums werden zusätzliche Flüchtlinge im Bezirk angesiedelt.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - Weder die Bezirksvorsteherin noch die Bezirksbeiräte sind im Vorfeld informiert worden, dass in diesen Tagen zusätzliche Flüchtlinge im Bezirk Nord angesiedelt werden. Ihren Unmut darüber haben sie in der jüngsten Sitzung auch deutlich kundgetan. Die meisten der Lokalpolitiker hatten aus der Presse von dem Vorhaben der Stadtverwaltung erfahren, die Bezirksvorsteherin Andrea Krueger ebenfalls, bevor sie entdeckte, dass ihr am Abend zuvor eine E-Mail in dieser Sache zugegangen war. „Das war aber zu einer Zeit, zu der man normalerweise keine E-Mails mehr liest“, sagte sie. Also machte sie sich daran, bei den Ämtern nachzuforschen, und konnte dem Gremium verkünden, dass zunächst 90 Asylbewerber ankämen, weitere 130 würden in Kürze folgen. Problematisch dabei seien mehrere Aspekte: Zum einen sollen die Flüchtlinge laut Krueger auf dem Bürgerhospital-Areal an der Türlenstraße untergebracht werden, in einem Gebäude, das seit dem Umzug der Psychiatrie nach Bad Cannstatt leer steht. Gleich daneben soll aber wie berichtet eine siebengruppige Kindertagesstätte entstehen, an der Wendeplatte Tunzhofer Straße.

 

Zum anderen seien es wohl hauptsächlich allein stehende männliche Asylbewerber, die dort leben werden – also anders als bei den 138 Flüchtlingen, die seit Jahreswechsel 2011/2012 an der Nordbahnhofstraße leben: dies sind hauptsächlich Familien mit Kindern, die sich „ganz anders in einen Stadtteil eingliedern lassen“, so Krueger. „Ich glaube, der Bezirk Nord hat sich bisher immer offen und aufnahmebereit gezeigt“, meinte die Bezirksvorsteherin. Es sei ja nicht damit getan, dass man „die Leute irgendwohin stellt: Die Unterstützung muss klappen.“ Und gäbe es auf einmal die dreifache Anzahl an Menschen, die betreut werden müssten, klappe das nicht. Laut den Plänen der Stadtverwaltung soll sich die Caritas um die neuen Flüchtlinge in Nord kümmern.

Dass ausgerechnet das Bürgerhospital-Areal neues Zuhause der Asylanten werden soll, kritisiert Krueger ebenfalls: „Welche Personengruppen begegnen sich denn da?“ Zumal im Umfeld ja auch das Johannes-Falk-Haus der Diakonie, in dem Jugendliche mit Eingliederungsschwierigkeiten leben, die Moschee und das Coop-Viertel lägen. „In der Addition kommt der Punkt, an dem das Ding kippt“, so Krueger.

„Wir sollten ein Stop-Signal setzen“

Auch die Bezirksbeiräte zeigten sich nicht begeistert, dass sie nicht von der Verwaltung zuvor informiert worden waren. „Wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Asylanten, aber auch gegenüber unserem Bezirk“, sagte etwa Anna Kedziora (Freie Wähler). „Wir haben uns ja bisher nie gesträubt.“ Angelika Barwasser, stellvertretende Bezirksbeirätin für die FDP, empfand das Vorgehen der Verwaltung „befremdlich“.

Über die Ansiedlung der zusätzlichen Flüchtlinge konnte das Gremium natürlich nicht entscheiden – diese wird so oder so erfolgen. „Wir haben nichts zu beschließen, die ersten 90 Flüchtlinge kommen“, sagte Andrea Krueger. Trotzdem fügte sie an: „Wir sollten ein Stop-Signal setzen.“ Der Bezirksbeirat fasste daraufhin einen Beschluss: Der Bezirk habe sich immer bereit gezeigt, seinen Teil beizutragen, sehe sich aber nicht mehr in der Lage, weitere Zuweisungen zu tragen.

Auf Nachfrage unserer Zeitung stellte Andrea Krueger klar: „Dass die Not groß ist, wissen wir. Aber die Stadt besteht nicht nur aus dem Bezirk Nord. Vorübergehend schaffen wir die 90 vielleicht, aber nicht auf Dauer.“ Enttäuscht zeigte sie sich außerdem, dass das lokale Wissen der Bezirksbeiräte ignoriert wurde: „Wir kennen die soziale Umgebung, wir kennen die Strukturen. Und die sind nicht beliebig belastbar.“