Seit Januar liegt das Memorandum Rosenstein vor. Entstanden ist das Opus zur Zukunft des Stadtquartiers unter Beteiligung der Bürger. In einer gemeinsamen Sitzung haben die Bezirksbeiräte von Nord, Mitte und Ost das Werk diskutiert.

Stuttgart - Eins stellte Peter Pätzold (Grüne) unmissverständlich klar: „Sie beleidigen meine Mitarbeiter nicht!“ Damit reagierte Stuttgarts Baubürgermeister in der gemeinsamen Sitzung der Bezirksbeiräte Stuttgart-Nord, -Mitte und -Ost auf die Kritik eines Zuhörers, die Bauverwaltung habe das sogenannte „Memorandum Rosenstein“ ohne Hinzuziehung hervorragender Planer erarbeiten lassen.

 

Auf der Tagesordnung der Gemeinschaftssitzung am Montagabend stand nur ein Thema: das Memorandum Rosenstein. Während die Bezirksbeiräte im Rathaus das 217 Seiten starke Werk diskutierten, in dem die Ideen, Wünsche und Bedürfnisse der Bürger in Blick auf die Gestaltung des Rosenstein-Areals gesammelt sind, protestierten die Stuttgart-21-Gegner vor dem Rathaus mit Trillerpfeifen und Trommeln gegen die Tieferlegung des Hauptbahnhofs.

Das Memorandum ist das Ergebnis von Workshops, Vorträgen, Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden, die von März bis September im vergangenen Jahr mit und für die Bürger veranstaltet worden sind. Ziel des Projekts ist es, nicht an den dort lebenden Menschen vorbei, sondern mit ihnen zu planen, wie die freie Gleisfläche genutzt werden soll.

SPD-Bezirksrat warnt vor dem Einfluss der Investoren

Als Bürgerwünsche herauskristallisiert haben sich unter anderem der Ruf nach Begegnungsorten, nach einem vielfältigem Kulturangebot, nach bezahlbarem Wohnraum, nach dem Erhalt prägender Bauten, attraktiven Rad- und Fußwegen und Grünzonen. Auf die Frage, was von den Vorschlägen machbar ist, gebe es keine einfachen Antworten, stellte Stefan Kessen von der Mediator GmbH fest, die das Memorandum erstellt hat.

Die Kritik am Memorandum von Sebastian Sage (SPD), Bezirksbeirat Nord: Die Bedürfnisse der Bürger seien nicht unter einen Hut zu bekommen. Sage: „Die einen wollen lang im Biergarten sitzen und die Sperrstunde aufheben. Die anderen wollen schlafen.“ Sage ging es außerdem darum, dass der Infoladen auf der Prag, der die Bürger über die Entwicklung im Viertel informiert, seine Unabhängigkeit behält. Die könne gefährdet sein, wenn sich der Infoladen die Räume mit dem „Gläsernen Büro“ teile. Dort will die Stadtverwaltung die Planung für die Bürger sichtbar machen. Eine Gefahr, die laut Josef Klegraf vom Infoladen nicht droht. Im Gegenteil: „Durch die Nähe erreichen uns Informationen über Planungen schneller“, stellte Klegraf fest.

Nach Meinung von Sages Kollege im Bezirksbeirat Nord, Jürgen Klaffke (SÖS/Linke-plus), nehmen Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und die Bürgermeister das Beteiligungsverfahren nicht ernst und wollen die Bürger nicht wirklich an der Entwicklung der Gleisfläche beteiligen. „Alles nur Schaumschlägerei“, so Klaffke.

„Begebt euch nicht unter die Räder der Investoren, sondern macht was Schönes daraus“, forderte Matthias Vinçon Baubürgermeister Pätzold auf. Dem SPD-Mann vom Bezirksbeirat Mitte fehlt in dem Memorandum vor allem die „Gewichtung“. Man könne aus dem Werk alles mögliche rauslesen: sowohl den Wunsch nach einem autofreien Viertel, als auch die Forderung, mit dem Auto bis vor die Haustür fahren zu können, schloss er sich der Kritik seines Parteifreunds Sage an.

Trotz aller Kritik an der Unverbindlichkeit des Memorandums stimmte die Mehrheit der Bezirksbeiräte dem Antrag der Stadtverwaltung zu, an den im Memorandum aufgeführten Themen bei der weiteren Planung anzuknüpfen. Außerdem wurde mehrheitlich dafür gestimmt, die Verwaltung damit zu beauftragen, eine Planungsstrategie und Bürgerbeteiligung unter Berücksichtigung der im Memorandum vorgeschlagenen ersten Maßnahmen zu erarbeiten. Dazu gehören unter anderem: die geplante Einrichtung des „Gläsernen Büros“ sowie eines multifunktionalen Ausstellungs- und Veranstaltungsraums.