Das Waldorferzieher-seminar feiert sein 40-jähriges Bestehen. Anlässlich seines Jubiläums fragen sich die Fachleute dort: Wie kann auf den gesellschaftlichen Wandel reagieren?

S-Ost - Seinen Start erlebte das Waldorferzieherseminar Stuttgart Mitte der 70er Jahre noch in der Vaihinger Michael-Bauer-Schule. Doch schon eineinhalb Jahre später wurde mit dem Spatenstich für ein erstes eigenes Seminargebäude in der Heubergstraße der Umzug in den Osten konkret. Dort, wo der anthroposophische Geist in vielen Institutionen der unmittelbaren Nachbarschaft spürbar ist, lernen angehende Waldorferzieher seitdem die Prinzipien von Rudolf Steiner in die Praxis umzusetzen. Am Samstag feiert das Seminar sein 40-jähriges Bestehen.

 

Es ist ein Alter, in dem weder Menschen noch Einrichtungen zum alten Eisen gehören, aber dennoch auf eine beträchtliche Erfahrung zurückblicken können. „Mitten im Leben stehend“, nennt das die Schulleiterin Elke Rüpke. Zum Fest der Begegnung erwartet sie neben Kollegen von nahe stehenden Institutionen auch viele Ehemalige. „Aber wir wollen nicht so sehr nach hinten gucken.“ Stattdessen steht im Vordergrund: Die Frage, wie die Erziehung in den Krippen und Kindertagesstätten auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren sollte.

Diese Veränderungen basieren in erster Linie auf einem neuen Familienbild. „Es gibt mehr Bindungsabbrüche als früher“, hat Birgit Klotz festgestellt, die im Haus für die Fort- und Weiterbildungen zuständig ist. Die wachsende Zahl an Alleinerziehenden ist verbunden mit mehr berufstätigen Müttern. „Die Kinder werden heute viel länger und auch im viel jüngeren Alter betreut als früher.“ Der Stress der Eltern übertrage sich wie beiläufig auf die Kinder, die früh lernen, was Termindruck ist. „Da ist das Kindsein in Gefahr“, findet Rüpke. Die Kleinen müssten nicht in unzählige Programme und Erwartungen gedrängt werden, sondern sollten auch einfach mal spielen dürfen.

Gewandelt haben sich auch die angehenden Erzieher. Sie seien körperlich und seelisch weniger belastbar als früher, dafür aber reifer und offener für Spiritualität, berichten Rüpke und Klotz, die den direkten Vergleich haben. Rüpke machte vor mehr als 30 Jahren ihre Fachausbildung in der Heubergstraße, Klotz begann sich nach der Geburt ihrer Kinder für die Anthroposophie zu interessieren und ließ sich im Seminar weiterbilden. „Für mich war das eine große Horizonterweiterung“, sagt sie.

Es sind die grundlegenden Waldorfgedanken, die Klotz damals wie heute faszinieren und auf denen der Gründer Helmut von Kügelgen das Seminar aufbaute. „Pädagogik mit Kopf, Herz und Hand“, fasst Klotz das zusammen, gelehrt von Dozenten, die nicht bloße Theoretiker sein sollen, sondern wissen, wie es in der Praxis läuft. Wer starke Persönlichkeiten erziehen möchte, müsse selbst durch Charakter und Auftreten überzeugen, der dürfe nicht nur eine Rolle spielen, ergänzt die Erziehungswissenschaftlerin Rüpke. Es ist einer der Gründe, warum Interessenten mindestens 18 Jahre alt sein müssen, um ans Seminar aufgenommen zu werden. „Sie sollen hier nicht einfach so reinstolpern, sondern sich genau überlegen, ob sie diese Ausbildung machen wollen.“ Etwa 40 Seminaristen pro Jahrgang gibt es, insgesamt haben seit Bestehen des Hauses rund 1500 Menschen einen Abschluss gemacht.

Die Absolventen kommen längst nicht nur aus der Region. Das Seminar hat einen guten Ruf im In- und Ausland. Stuttgart, speziell das Gebiet rund um die Uhlandshöhe, zieht viele an. „Sie wollen dort lernen, wo alles begann“, berichtet Elke Rüpke.