Die Caritas hat in Gaisburg das Haus Ursula eröffnet. Dort wohnen Menschen mit Behinderung, die nicht rund um die Uhr betreut werden müssen. Ermöglicht hat das Millionenprojekt die Grötzinger-Stiftung.

S-Ost - Tanja Trautwein ist glücklich. Die 41-Jährige wohnt seit wenigen Wochen in einem großzügigen Einzelappartement im Haus Ursula an der Schönbühlstraße in Stuttgart-Ost, unmittelbar an der Klingenbach-Parkanlage und mit Aussicht auf den Fernsehturm. Bisher wohnte sie im Haus Teresa der Caritas in Stuttgart-Wangen, einer Einrichtung für „erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung und einem leichten bis mittleren Unterstützungsbedarf“, wie die Caritas das Haus auf ihrer Internetseite beschreibt. „Die Wohnungen dort waren aber zu klein“, sagt Tanja Trautwein.

 

Das Neubauprojekt Haus Ursula der Caritas im Stuttgarter Osten ist am Freitag bei einem Festakt mit zahlreichen Gästen offiziell eingeweiht worden. Ziel der Einrichtung ist es, Menschen mit Behinderung ein selbstständigeres Leben zu ermöglichen. Das Projekt besteht aus dem Haus Ursula an der Schönbühlstraße 94 und 96 für Menschen mit Behinderung, außerdem aus den Gebäuden Am Klingenbach 31 und 33 mit Sozialwohnungen. Insgesamt hat das Projekt knapp fünf Millionen Euro gekostet, zuzüglich der Grundstückskosten.

Grötzinger-Stiftung ermöglicht Neubau

Die Neubauten wurden durch die Grötzinger-Stiftung des Ehepaars Ursula und Heinz Grötzinger ermöglicht. Die Stiftung überlässt die Grundstücke in Erbbaupacht der Caritas, außerdem steuerte sie 2,4 Millionen Euro zu den Baukosten bei. Weitere 1,9 Millionen Euro kommen durch ein Darlehen vom Land, die Caritas selbst investierte 300 000 Euro Eigenmittel.

Das Konzept des sogenannten ambulanten betreuten Wohnens im Haus Ursula beinhaltet, die Menschen Schritt für Schritt selbstständiger zu machen. Deswegen gibt es keine Betreuung rund um die Uhr mehr, sondern nur noch zu ganz bestimmten Zeiten. In der Anfangsphase ist noch eine Nachtbereitschaft im Haus, aber auch die soll nach und nach reduziert werden.

Um das möglich zu machen, hat die Caritas schon mit dem Baubeginn vor zwei Jahren angefangen, Kontakte in den Stadtbezirk Stuttgart-Ost hinein und zur Nachbarschaft aufzubauen. Die Hausleiterin Gabriele Philipp erzählt von Besuchen im Bezirksbeirat, bei der benachbarten katholischen Herz-Jesu-Gemeinde und im evangelischen Kindergarten und der städtischen Kindertagesstätte ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft. Auch Beate Lachenmaier, die Bereichsleitung Behindertenhilfe des Stuttgarter Caritasverbandes, freut sich über die gute Aufnahme der Einrichtung in Stuttgart-Ost. „Es ist jetzt schon eine tolle Nachbarschaft.“ Viele Anwohner hätten bereits Unterstützung angeboten. Heinz Grötzinger hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Es hat bei den Nachbarn keine Vorbehalte gegeben.“

Bewohner lernen Umgebung kennen

Tanja Trautwein und auch Rene Berger gehörten zu den ersten Bewohnern, die Ende Februar, Anfang März in das Haus Ursula einzogen sind. Inzwischen kennen sie sich ein bisschen aus und sind schon in der näheren Umgebung unterwegs. Rene Berger, 54 Jahre alt, kann beispielsweise ohne Unterstützung beim nahen Lidl in Gaisburg einkaufen, auch den Metzger dort im kleinen Zentrum von Gaisburg hat er schätzen gelernt. „Dort kaufe ich immer meinen Lkw“, sagt er und meint ein Leberkäsbrötchen. Nur das mit der Stadtbahn will noch nicht so richtig funktionieren. „Da kämpfe ich gerade noch“, sagt Berger, der in den Neckartalwerkstätten arbeitet. „Ich weiß nicht, wie das geht.“

Auch Tanja Trautwein hat das Gaisburger Geschäftszentrum mittlerweile für sich entdeckt, egal ob den Supermarkt, der wie berichtet demnächst vergrößert werden soll, oder den Sparback. Die Talstraße bildet für sie wie für die anderen Hausbewohner bis jetzt noch eine Art Grenze. „Der Weg zum Ostendplatz ist für mich gerade noch zu anstrengend.“ Aber auch diese Bereiche werden sie, Rene Berger und ihre Mitbewohner noch entdecken. Demnächst geht es zum Schwimmen ins nahe Leo-Vetter-Bad. Und ein Ausflug zum Tanzen nach Bad Cannstatt ist auch schon geplant.