Ein paar junge Stuttgarter geben Fischern in Ghana Design- und Marketing-Tipps und unterstützen auf diese Weise eine Batik-Werkstatt.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - S-Süd - Share-Economy ist nicht nur was für Bohrmaschinen und Autos. Auch Wissen lässt sich teilen – sogar mit Gewinn, ist Tom Nieke überzeugt. Der Grafikdesigner ist dieser Tage nach Ghana aufgebrochen, um Leuten in einem Fischerdorf zu zeigen, wie man Designs erfindet. Volta nennt sich das Projekt, und vier andere junge Leute aus Stuttgart sind mit im Boot – eine Künstlerin, eine Textildesignerin, ein Dokumentarfilmer und ein Fotograf. Ihre Mission: Sie wollen die kreativen Techniken, die sie in Schulen und Hochschulen beigebracht bekamen, in eine Weltgegend exportieren, wo nur wenige das Privileg einer solchen Ausbildung genießen. Profitieren soll davon eine kleine Batikwerkstatt in einem Fischerdorf in der Volta-Region in Ghana.

 

Das Dorf am Volta-Fluss, erklärt Nieke, habe bis vor wenigen Jahren von der Fischerei gelebt. Heute sind die Fischgründe erschöpft, und viele Menschen suchen ein alternatives Auskommen. So entstand die Batik-Werkstatt, die ein Projekt von engagierten US-Amerikanern ist. Hier fertigen die Dorfbewohner Stoffe, die sie zum größten Teil auf heimischen Märkten und an ein paar westliche Fair-Trade-Händler und -Marken verkaufen. Nana Boahene aus Stuttgart hat dort im vergangenen Jahr ein Praktikum gemacht und kehrt nun, verstärkt, in das Fischerdorf zurück, um für die Leute in der Werkstatt einen Workshop abzuhalten. Die Stoffe aus der Werkstatt wollen die fünf Stuttgarter dann übrigens auch hier in Umlauf bringen.

Keine kolonialistische Geste

Tom Nieke hat eine Art Lehrplan dafür. Zunächst geht es darum, grafische Muster zu entwickeln, die zu den Leuten passen, denen die Stoffe verkauft werden sollen. „Wir machen Skizzen von Landschaften beispielsweise und versuchen diese dann auf Linien und Flächen zu reduzieren. Es geht um ein abstrahierendes Sehen“, erklärt der junge Mann aus dem Stuttgarter Süden. Außerdem sollen die Workshopteilnehmer allerlei Material zusammentragen, das sie in der Gegend finden. „Erst hinterher erfahren sie, dass sie daraus ein Tier basteln sollen.“ Auch Frottagen, ein Ideenbuch und das Korrigieren misslungener Zeichnungen stehen auf dem Lehrplan des 22-jährigen Grafikdesigners. Bislang fehle den Stoffen aus der Werkstatt das Besondere, das sie abhebt von der Massenware, sagt Nieke. Bislang benutzten sie zum Drucken vorgefertigte Schwämme für ihre Stoffmuster.

Ein bisschen klingt das ganze nach dem berüchtigten weißen Mann, der den Leuten in Afrika mal erklärt, wie man es richtig anpackt. „Nein, das ist nicht diese kolonialistische Geste“, winkt Nieke ab. „Wir entwickeln die Designs zusammen.“ Es hätte auch keinen Sinn, den Leuten „unseren Geschmack aufdrücken zu wollen“. Denn am Ende des Tages kaufe auf dem Markt niemand diese Stoffe mit nordischen Minimaldesigns und in Farben, die den Leuten in Ghana ziemlich freudlos erscheinen dürften. Nein, mit Kolonialismus habe das nichts zu tun, wiederholt Nieke. „Ich hoffe dabei auch auf Inspirationen für meine eigene Arbeit. Ich bin überzeugt, dass ich bei dem Workshop und überhaupt in diesen drei Wochen in Ghana unheimlich viel lernen werde.“

Neues schaffen, Traditionen wahren

Eingeklinkt ist das Ghana-Projekt in Arthelps, eine Initiative von Thomas Lupo. Der Grafikdesigner hat selbst sechs Monate in einer Favela in Rio mit Kindern gearbeitet und danach beschlossen, sein Wissen künftig an Menschen aus sozial benachteiligten Verhältnissen weiterzureichen, weil er überzeugt ist, dass jeder zu kreativer Leistung fähig ist. So gründete er Arthelps mit Geschäftsadresse in Fellbach, zu dem inzwischen Teams in ganz Deutschland gehören.

In den vergangenen Jahren sind eine ganze Reihe von Partnerschaften mit Kreativen entstanden, die Projekte überall in der Welt betreuen – in Krisenregionen wie Afghanistan und Irak, aber beispielsweise auch in Brasilien, Indien, Deutschland und der Schweiz. Den Menschen in der Batik-Werkstatt in Ghana wolle Arthelps „Mut machen, ihnen zeigen, dass sie Großartiges schaffen und Neues lernen können, ohne die eigene Tradition und die Werte ihrer Gemeinschaft aufzugeben“, heißt es in der Projektbeschreibung auf der Internetseite www.arthelps.de.