Die Deutsche Bahn spricht von Drohungen gegen den Topmanager - die Projektgegner reagieren darauf mit Verwunderung.

Stuttgart - "Ich bedauere die Entscheidung von Hany Azer sehr. Er ist ein ungewöhnlich kompetenter Ingenieur, den ich persönlich hoch schätze.“ Mit diesem Satz hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, am Montag für einen Paukenschlag in Stuttgart gesorgt. Hany Azer, der 61-jährige Leiter der Großprojekte Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm, gibt wenige Tage nach der Regierungsbildung durch Grüne und SPD die bautechnische Verantwortung für die milliardenschweren Vorhaben ab. Dies geschehe auf eigenen Wunsch, und zwar zum 31. Mai 2011. „Hany Azer übernahm das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm in einer sehr schwierigen Phase. Seitdem führt er das Projekt mit hohem technischem Sachverstand und beispiellosem persönlichem Einsatz“, lobte Grube. Dafür sei er ihm persönlich sehr dankbar. „Auch wenn wir es außerordentlich bedauern, müssen wir die Entscheidung von Hany Azer natürlich respektieren“, sagte der Bahnchef.

 

Azer werde eine andere Aufgabe im Konzern übernehmen. Eine Nachfolgeregelung für die Projektleitung von Stuttgart 21 werde „rechtzeitig bis zum 31.Mai 2011 getroffen“. Der aus Kairo stammende Bauingenieur habe sich während seiner Arbeit „immer wieder persönlichen Anfeindungen bis hin zu Drohungen ausgesetzt“ gesehen, heißt es in einer Pressemitteilung der Bahn. Zuletzt sei es ihm „nur unter Personenschutz des Konzerns möglich gewesen zu arbeiten“. Azer habe sich deshalb „nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, das Bauprojekt nicht länger zu führen. Er hatte die Verantwortung am 1.April 2008 vom mittlerweile verstorbenen Peter Marquardt übernommen. Neben Azer wurden damals zahlreiche neue Führungskräfte installiert. Diese Maßnahme hatte nach StZ-Informationen nachhaltige Auswirkungen auf alle am Projekt Beteiligten. „Seitdem gab es für uns kaum mehr Informationen“, sagte ein mit Stuttgart 21 betrauter Ingenieur.

"Der Letzte macht das Licht aus"

Auch das Problem der Bahn, Fachkräfte zu verpflichten, wird mit dem autoritären und wenig kommunikativen Führungsstil des Projektleiters in Verbindung gebracht. Zuletzt geriet Azer in die Schlagzeilen, weil er eine Risikostudie über das Projekt erarbeiten ließ, in der von Mehrkosten von mindestens 1,2 Milliarden Euro die Rede war. Die Bahn dementierte prompt. Stuttgarts OB Wolfgang Schuster (CDU) dankte Azer am Montag für seinen „großen persönlichen Einsatz“, machte aber auch deutlich, dass nicht nur ein exzellenter Ingenieur benötigt werde, sondern auch ein guter Kommunikator, „der offen mit den Projektpartnern und der Öffentlichkeit kommuniziert“. Der verbliebene Projektsprecher Wolfgang Dietrich bedauerte den Schritt Azers: „Das Projekt verliert mit ihm eine Koryphäe.“ Er habe gut mit Azer zusammengearbeitet, „auch wenn es nicht immer einfach war“. Dietrich kündigte in diesem Zusammenhang an, das Kommunikationsbüro werde nach dem Ausscheiden der von der früheren Landesregierung entsandten Mitarbeiter nun „neu aufgestellt“. Eine Verlängerung des Baustopps oder gar das komplette Aus für Stuttgart 21 im Zusammenhang mit der Personalie stehe nicht zur Debatte.