In der Debatte um die Zusage von 100 000 Euro für die Stuttgart-21-Ausstellung im Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs widersprechen sich die Stadt und Projektpartner Deutsche Bahn. Der Streit eskaliert.

Stuttgart – In der Auseinandersetzung um den 100 000-Euro-Zuschuss der Stadt für den Umbau der Stuttgart-21-Ausstellung im Turm des Hauptbahnhofs widerspricht der Projektsprecher Wolfgang Dietrich den Aussagen der Rathausspitze. Damit verschärft er die Kontroverse zwischen der Stadt und ihrem Projektpartner Deutsche Bahn. Sowohl Oberbürgermeister Fritz Kuhn, ein heftiger Kritiker Dietrichs, als auch der Kämmerer und bekennende S-21-Befürworter Michael Föll (CDU), hatten am Mittwoch im Verwaltungsausschuss bekräftigt, es sei schlicht unwahr, dass die Stadt dem Turmforum eine Leistung in dieser Höhe zugesagt habe. Es handele sich offenbar um ein Gerücht. Auf einer solchen Grundlage sei selbstverständlich keine Zuschussgewährung möglich. Auch frühere Beteiligte verwahren sich dagegen, dass es eine Zusage gegeben hätte.

 

Dietrich betonte dagegen gegenüber der Stuttgarter Zeitung, es habe dem erwarteten Zuschuss „tatsächlich ein verwaltungsinterner Abstimmungsprozess zugrunde gelegen“. Zur Erinnerung: Die S-21-Befürworterfraktionen CDU, SPD, Freie Wähler und FDP hatten zuletzt in diversen Anträgen die Auszahlung des Betrags gefordert und zumindest indirekt OB Kuhn vorgeworfen, er würde seine Kritik am Bahnprojekt ausleben, indem er die finanzielle Unterstützung des Umbaus der S-21-Ausstellung im Turm verschleppe.

Wolfgang Dietrich spricht von mündlichen Vereinbarungen

Dietrich erinnert in seiner Klarstellung an den dem Umbau vorgeschalteten Wettbewerb, in der die Stadt mit vier Personen prominent vertreten gewesen sei. Die Verwaltung habe sich „aktiv bei der Formulierung des Wettbewerbstextes eingebracht, um spätere Zuschüsse bewilligen zu können“. Da die Bahn 500 000 Euro für die 600 000 Euro teure Aktualisierung der 1998 eröffneten Ausstellung zugesagt hatte, belaufe sich der von der Stadt erwartete Beitrag auf 100 000 Euro. Einem Sechstel der Gesamtkosten stehe die Nutzung von einem Drittel der Ausstellungsfläche für das Thema „Städtebau“ und Rosensteinviertel gegenüber. Das entspreche dem regulären Anteil der jährlichen Zuschusssumme der Stadt. Sie beteiligt sich am Turmforum mit 300 000 Euro pro Jahr.

In der Folge wird Dietrich konkret: Auf der „Arbeitsebene“ seien sehr wohl mündliche Vereinbarungen getroffen worden. Im Büro des damaligen OB-Sprechers Markus Vogt seien am 19. September 2012, zwischen 14 und 15 Uhr, die 100 000 Euro „zugesagt worden“. Nachdem die Kostenschätzung für die S-21-Ausstellung im Rathaus vorgelegen habe, die ebenfalls umgebaut werden sollte, sei die Freigabe der Mittel per Telefon avisiert worden. Danach habe Vogt die Summe eigenhändig „freigegeben“.

Schuster hätte sich finanziell beteiligt

Kurz darauf habe dann allerdings Vogts Mitarbeiter Egon Möhler den Turmforumschef David Bösinger darüber informiert, „dass die anordnende Stelle beim Haupt- und Personalamt nach einer Rechtsgrundlage sucht, nach der der einmalige Sonderzuschuss ausgezahlt werden kann“. In der E-Mail, die der StZ vorgelegt wurde, fügte Möhler noch an, falls doch der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats seinen Segen geben müsse, „dann wird’s in diesem Jahr nichts mehr und ich muss mir Gedanken machen, wie ich das Geld ins nächste Jahr rette“. Für Dietrich steht deshalb fest: „Aus diesem Schreiben darf gewiss geschlossen werden, dass es sich nicht um eine Fiktion gehandelt hat, sondern um einen realen Vorgang.“

Der ehemalige OB-Sprecher Markus Vogt sagt dagegen, Kuhns Vorgänger Wolfgang Schuster habe sich eine finanzielle Beteiligung vorstellen können. Deshalb habe er vor dem Beginn der Ausschreibung der Umbauarbeiten auch darauf geachtet, dass diese rechtssicher gestaltet werde und die Inhalte zum Thema Städtebau den Vorstellungen der Kommune entsprechen. Es sei „aber nie eine Festlegung auf einen bestimmten Betrag getroffen worden. Ein solcher wurde erst recht nicht zugesagt“. Im Übrigen habe man ihm auch nie eine finale Kostenaufstellung vorgelegt. „Auf welcher Grundlage hätte die Stadt ihren Zuschuss gewähren sollen?“, fragt Vogt.

Turmforum-Chef forderte „zeitnahe Überweisung“

Für Verwirrung in der Verwaltung hat eine am Mittwochabend entdeckte Rechnung von Turmforums-Chef David Bösinger an Vogts Mitarbeiter Möhler gesorgt. Darin forderte er Ende November die „zeitnahe Überweisung“ des Betrags, da die Stadt „im Rahmen der in der Satzung vorgegebenen Aufgaben“ diesen Zuschuss „bewilligt“ habe. Möhler stempelte die Anweisung zwar mit dem Vermerk „sachlich richtig“, die nächsten Verwaltungshürden nahm das Schreiben aber nicht mehr.

Aus gutem Grund: Zahlungen an Stellen außerhalb des Rathauses erfolgen nicht nach Anweisungen von Dritten, sonst wäre die Stadtkasse schnell leer, sondern auf Basis eines Gemeinderatsbeschlusses. Dass sie eine solche Entscheidung getroffen hätten, behaupten aber nicht einmal die größten S-21-Befürworter im Stadtparlament.