Der neue chinesisch-schwedische Eigentümer des schwedischen Autobauers Saab zahlt offenbar die Rechnungen seiner Zulieferer nicht. Mal wieder ist die Zukunft der Kultmarke ungewiss.

Stockholm - Wenigstens im Saab-Museum ist in diesem Sommer etwas los. Viele Saab-Fans kamen kürzlich mit ihren Autos ins schwedische Trollhättan. Die Fotos auf der Facebook-Seite des Museums zeigen einen olivgrünen Saab 92 aus den Fünfzigerjahren, einen weinroten Saab 9000 aus den Achtzigern, einen hellblauen V4 aus den Siebzigern.

 

Die Vergangenheit lebt, doch die Zukunft der Kultmarke ist ungewiss. Mal wieder. In der Fabrik, wenige Kilometer vom Museum entfernt, steht die Produktion seit Ende Mai weitgehend still. Der Eigentümer steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Seit zwei Jahren gehören die Anlagen und die Rechte am Fahrzeug dem Konsortium National Electric Vehicle Sweden (Nevs), hinter dem chinesische Investoren stehen. Nevs zahlt seit Monaten seine Rechnungen nicht. „Wir sind nicht insolvent, die Vermögenswerte sind größer als die Schulden“, sagt ein Sprecher. „Aber wir haben nicht genügend flüssige Mittel und sind deswegen unglücklicherweise derzeit nicht in der Lage, unsere Zulieferer zu bezahlen.“ Wann die Produktion wieder aufgenommen wird, könne er nicht sagen.

Ein Insolvenzantrag mit schlimmen Folgen

Ein Zulieferer wurde offenbar ungeduldig:Labo Test, Hersteller von Klimaschränken, hatte sich an das Gericht im Vänersborg gewandt, um den Autobauer in die Insolvenz zu zwingen. Nevs schuldet ihm – so Medienberichte – umgerechnet etwa 16 000 Euro. Anfang September wollte das Gericht über den Antrag verhandeln. Schnell machte die Meldung Schlagzeilen: „Saab-Nachfolger vor dem Konkurs“ titelten schwedische Medien. Zum Gerichtsentscheid kommt es nun erst mal doch nicht. Labo Test hat den Antrag zurückgezogen – offenbar erschrocken über die Folgen. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass das so eine große Sache wird“, sagte Firmenchef Håkan Bodin der schwedischen Nachrichtenagentur TT nach seinem Rückzieher. Er müsse darüber nachdenken, was er nun tue. Der Schaden war da bereits angerichtet, sagt Fredrik Sidahl, Chef der Fordonskomponentgruppen, des Verbands schwedischer Automobilzulieferer.

„Diese Schlagzeilen helfen Nevs definitiv nicht weiter.“ Der Hersteller steckt auch so in Schwierigkeiten. Etwa 500 Unternehmen warteten auf Geld von Nevs, so Sidahl. Nevs sucht derzeit nach Investoren, mit denen es gemeinsam eine neue Produktionsplattform für Saab-Autos entwickeln will. „Wir verhandelt derzeit mit zwei potenziellen Partnern“, so der Sprecher. Namen nennt er nicht. Das schwedische Radio berichtete von Gesprächen mit dem indischen Autobauer Mahindra und dem chinesischen Unternehmen Dongfeng.

Offenbar herrscht zwischen den Eignern Uneinigkeit

Nevs gehört zu 78 Prozent der National Modern Energy Holdings (NME), die auf den britischen Jungferninseln registriert ist. Haupteigentümer ist der schwedisch-chinesische Unternehmer Kai Johan Jiang, Gründer des chinesischen Energieunternehmens Dragon Power Company und früher auch schon für Volvo tätig. Die übrigen 22 Prozent an Nevs hält die chinesische Großstadt Tsingtau, mit der es offenbar Probleme gegeben hatte. In einer Mitteilung von Nevs im Mai hieß es, einer der Investoren habe seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt. NME Holdings habe daher Anfang des Jahres beschlossen, als alleiniger Finanzier der Firma aufzutreten. Heute betont Nevs, die Stadt Tsingtau habe alle ihre Pflichten erfüllt. „Der Haupteigentümer war nicht in der Lage, uns während des Frühjahrs zu finanzieren, wie es ein Eigentümer tun sollte“, begründet der Nevs-Sprecher nun den Produktionsstopp. Deswegen bleiben viele der 270 Arbeiter in Trollhättan derzeit zu Hause. Ihren Lohn bekommen sie – vorerst noch – ausgezahlt.

Die Bänder in der kleinen Industriestadt liefen nur wenige Monate. Erst im Dezember hatte Nevs die Serienproduktion seines ersten Saab gestartet, Model Saab 9-3 Aero Sedan. 500 Autos wurden seither nach eigenen Angaben gebaut, ausgelegt ist die Anlage für 120 000 Wagen im Jahr. Bestellen kann man den neuen Saab zunächst nur in Schweden und in China. Bisher verkaufe man jedoch nur in Schweden, so der Sprecher.

Elektroautos existieren bisher nur als Prototypen

Eigentlich wollte Nevs in Trollhättan Elektroautos für den chinesischen Markt bauen. Die Stadt Tsingtau hatte als Miteigentümerin eine Pilotflotte von 200 Wagen geordert. Mit der Lieferung sollte im Frühjahr 2014 begonnen werden. Doch davon hat Nevs bisher nur als Prototypen gebaut. Nach Tsingtau wurde noch kein einziges Auto geliefert. Zuerst müssen Partner gefunden und Zulieferer bezahlt werden, damit es überhaupt weitergeht. „Wir sitzen immer noch in diesem Boot und warten“, sagt Verbandschef Sidahl stellvertretend für die schwedischen Zulieferer. Die sind Kummer mit Saab-Autos gewöhnt.

Bereits der vorherige Eigentümer, der niederländische Sportwagenhersteller Spyker, musste 2011 Insolvenz anmelden. Er hatte die Saab-Autosparte 2010 von General Motors übernommen. Aus diesem Konkurs warteten immer noch viele Zulieferer auf ihr Geld, sagt Sidahl. Trotzdem sei es für Schwedens Autobranche wichtig, dass Saab überlebe. „Es macht einen großen Unterschied für die Zulieferer, wenn es neben Volvo einen zweiten schwedischen Hersteller gibt.“