Sängerin Christiane Rösinger über Eigentumswohnungen, Berlin-Kreuzberg und das Älter werden in der Popmusik.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)
Stuttgart - Christiane Rösinger macht seit vielen Jahren Musik. Sie war Gründerin, Sängerin und Texterin der Berliner Bands Lassie Singers und Britta.Mit „Lieder ohne Leiden“ (Staatsakt) erscheint jetzt ihr zweites Soloalbum.
Frau Rösinger, Sie haben schon viele Lieder über die Liebe geschrieben. Jetzt aber „Lieder ohne Leiden“. Warum das?
Das ist eher ein Vorsatz. Es braucht ja anscheinend immer das Leiden, um gute Lieder zu schreiben. Das ist ein bisschen ein Klischee, aber es ist auch was Wahres dran. Ich habe den frommen Wunsch, jetzt mal Lieder zu schreiben, ohne dass vorher ein großes Unglück passiert ist.
Es geht auch viel um die Wirklichkeit. Sie wohnen seit 30 Jahren in Kreuzberg, immer in derselben Wohnung. Haben Sie Angst, dass das bald nicht mehr so ein wird?
Ja. Ich habe in einem ganz normalen Mietshaus gewohnt, das jetzt in Eigentum umgewandelt wurde. Der Hausbesitzer hat alle Wohnungen einzeln verkauft. Meine Wohnung gehört jetzt jemand anderen und der kann in sieben Jahren selbst einziehen. Ich werde dann keine bezahlbare Wohnung mehr hier finden. Leute, die kein großes Einkommen haben, finden in bestimmten Berliner Bezirken keine Wohnung mehr.
„Von den Eltern zur Belohnung, und zur eigenen Nervenschonung, und zur eigenen Naherholung, kriegen wir jetzt eine Eigentumswohnung“ singen sie in „Eigentumswohnung“. Gibt es auch in Ihrem Bekanntenkreis diese Leute?
Ich habe mit Schrecken festgestellt, dass ich die einzige bin, die keine Eigentumswohnung von den Eltern bekommt oder kein großes Erbe zu erwarten hat. Das kam jetzt erst raus, als ich allen vorgejammert habe, wie schlimm das ist, dass meine Wohnung verkauft wird. Alle haben gesagt: „Ja, dann kaufe sie doch.“ Als Singer-Songwriter im Indiebereich verdient man aber eben nicht genug. Die Antwort darauf war: „Dann sollen das halt deine Eltern bezahlen.“ Das war ganz selbstverständlich. Das ist seltsam, weil viele dieser Schriftsteller, Künstler und Journalisten immer so tun, als ob sie so verarmt sind und prekär leben, aber dann doch eigentlich ganz gut abgesichert sind.
Wie treten Sie denen gegenüber?
Sie mussten alle in dem Video mitspielen. In dem Lied ist schon eine Portion Hass mit drin. Andererseits kann ich ja jetzt nicht mit all meinen Freunden brechen, weil die erben und ich nicht. Man muss auch verzeihen können.
In „Lob der stumpfen Arbeit“ singen Sie genau jenes. Haben Sie nach vielen Jahren in kreativen Berufen gemerkt, dass Arbeit nicht als Selbstverwirklichung taugt?
Wenn Arbeit zur Selbstverwirklichung taugen soll, aber noch nicht mal den Lebensstandard sichert, ist das schlecht. Es ist auch mal ganz gut, wenn man eine Art stumpfe Arbeit macht. Etwas für das man sich nicht jedes Mal neu erfinden muss. Es ist wahnsinnig anstrengend, wieder eine neue Platte zu machen oder ein neues Buch zu schreiben. Es hat etwas unglaublich befriedigendes, eine Arbeit zu haben, da ein paar Mal die Woche hinzugehen und Geld dafür zu bekommen.
Was ist das bei Ihnen?
Ich gebe Deutschunterricht. Ich habe das mit 54 Jahren schätzen gelernt. Als Musikerin ist man es ja so gewohnt, dass man kein oder sehr wenig Geld bekommt. Ich war völlig begeistert, als ich meine ersten Kurse gegeben habe und damit Geld verdient habe. Ich mache das jetzt zwei, drei Tage die Woche. Es ist für mich gut, auch noch etwas anderes zu haben.
Was haben Sie in den Deutschstunden gelernt, die Sie Geflüchteten geben?
Sehr viel über die Grammatik. Auch wenn ich mal Germanistik studiert habe. Außerdem habe ich viel über Menschen gelernt. Man wird da aufeinander geworfen. Am Anfang sind einem nicht alle sympathisch. Das Verrückte ist, wie man sich durch den täglichen Umgang miteinander ins Herz schließt. Das ist ein tolles Erlebnis. Ich finde es auch sehr bereichernd, dass ich mal mit anderen Menschen zu tun habe.
Sie sind jetzt Mitte 50 und machen Musik, die - wenn überhaupt - den jungen Frauen vorbehalten ist. In „Joy of Ageing“ singen Sie davon, dass Altern gar nicht so schlimm ist. Wie das?
Wie alt sind Sie denn, wenn ich fragen darf?
37.
Sehen Sie mal. Frauen sind immer zu alt. Ich bin jetzt 56. Aber auch mit 37 habe ich Musik gemacht und war da schon zu alt. Ich erinnere mich an ein Interview, da war ich 27, da stand dann etwas von „der nicht mehr ganz taufrischen Dame aus Berlin“. Frauen sind immer zu alt. Ursprünglich wollte ich ein ganzes Buch zum Thema schreiben, weil ich es so satt habe, dass das alles so schlimm ist mit dem Alter. Irgendwann glaubt man das ja selbst. Man muss aufhören, das immer wieder zu betonen, wie schlimm es für Frauen ist, älter zu werden.
Ab welchem Alter wird man entspannter und schaut nicht mehr auf die Jungen?
Das ist wahrscheinlich bei jeder anders. Aber wenn Frau 50 wird, ist das zuerst ein Schock. Aber 50, da muss man sich nichts vormachen, ist man nicht mehr jung. Mit 40 kann man noch einen Lover haben, sich vom „Playboy“ fotografieren lassen, aber mit 50 ist man nicht mehr jung. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Dann ist es egal, man muss sich nicht künstlich jünger machen. Wenn ich jetzt mit 56 auf 50 geschätzt werde, ist das doch egal. Das ist auch alt.
„In der Popkultur herrscht ein ähnlich ausgewogenes Geschlechterverhältnis wie in der Kfz-Meisterinnung oder der Astronautenszene“, sagten Sie einmal. Ist das heute immer noch so?
Das hat sich leider nicht geändert, obwohl der Spruch schon zwanzig Jahre alt ist. Vielleicht ist es ja sogar noch schlimmer geworden. Es gibt immer wieder tolle Künstlerinnen wie zum Beispiel Martha Rose. Es schaffen aber wenige den Sprung in die Musikmagazine und in die Charts. Popmusik wurde immer als eine Sache begriffen, dass da mehr oder weniger gut aussehende Typen auf der Bühne stehen und die die sie anhimmeln sind junge Mädchen. Es gibt wenige Vorbilder. Wenn es bei mir nicht Patti Smith, Nina Hagen oder auch Nena gegeben hätte, hätte ich vielleicht gedacht, dass das Frauen gar nicht können.

Christiane Rösinger, 56, geboren in Rastatt und aufgewachsen im badischen Hügelsheim, war Gründerin, Sängerin und Texterin der Berliner Bands Lassie Singers und Britta. Im Jahr 2008 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „Das schöne Leben“. Mit „Lieder ohne Leiden“ (Staatsakt) erscheint jetzt ihr zweites Soloalbum. Am 7. April spielt sie mit Band in der Manufaktur in Schorndorf.