Die Südwestdeutsche Konzertdirektion wurde 1945 von Erwin Russ gegründet. Die kommende Spielzeit 2015/16 ist ihre siebzigste. Wieder gibt es ein reiches Klassikangebot.

Stuttgart - Drei Monate und einen Tag nach dem am 8. Mai 1945 besiegelten Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt Erwin Russ von der amerikanischen Militärregierung die Erlaubnis, in Stuttgart als Konzertagent tätig zu werden. Wenig später, am 1. September fand das erste Konzert statt, das Wendling-Quartett trat im Saal des Furtbachhauses (heute eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie) auf. Rund 4,5 Millionen Zuschauer – das ist gut 7,5 mal die heutige Einwohnerzahl der Landeshauptstadt – sind seither in die von der Südwestdeutschen Konzertdirektion veranstalteten Klassikkonzerte geströmt.

 

Am 9. August 2015 feiert die SKS Russ ihr siebzigjähriges Bestehen – und der Sohn des Gründers wird in einigen Wochen selbst siebzig. Michael Russ wurde bei der Präsentation der Saisonpläne 2015/16 beinahe unschwäbisch vorlaut, nämlich „stolz“, dass das Familienunternehmen jetzt von der dritten Generation geführt werde. Zwar ist seine Tochter Michaela bereits seit einigen Jahren Geschäftsführerin, aber das Programm und die Künstlerliste der kommenden Spielzeit hat sie erstmals allein verantwortet.

Vier klassische Konzertreihen mit je zehn Terminen

Gefeiert wird das Jubiläum natürlich musikalisch, etwas später allerdings, am 10. Mai 2016. Anne-Sophie Mutter, die Michael Russ aus frühsten Hochbegabtenkindertagen kennt, wird mit dem Stuttgarter Kammerorchester, das ebenfalls siebzig Jahre feiert, das Festkonzert geben. Weitere Sonderkonzerte der Spielzeit sind die obligatorischen Festtagstermine zu Weihnachten und Silvester (Wiener Sängerknaben, Bachs Weihnachtsoratorium, Beethovens Neunte), aber auch ein Rezitationsabend mit Musik: die aus dem Münster-„Tatort“ bekannte Schauspielerin Christine Urspruch (Alberich) liest die „Kleine Meerjungfrau“ und andere feine Geschichten, Hideyo Harada spielt Klavierstücke von Edvard Grieg. Zweimal im Angebot sind die beim Publikum gerade beliebten Filmvorführungen mit Live-Orchester. Einmal ist Francis Coppolas „Pate“ zu erleben, ein anderes Mal werden Höhepunkte aus Western präsentiert.

Kerngeschäft der SKS Russ sind jedoch die vier klassischen Konzertreihen mit je zehn Terminen, deren kalkulatorische Grundlage das Abo ist. Erst durch die Abonnenten (2015/16 werden die Preise leicht erhöht) kann das Unternehmen ausreichend planen, auch wenn etwa die Kammermusikreihe sich schwertut, wie Michaela Russ sagt. Doch die gehöre einfach von Anbeginn dazu – siehe das erste Konzert 1945. Alles in allem gelingt es der Veranstalterin auch in der neuen Saison, hochkarätige Künstler nach Stuttgart zu holen.

Herreweghe dirigiert einen Beethoven-Zyklus

Zu den Topterminen in der Meisterkonzertreihe zählt das Gastspiel des Pittsburgh Symphony Orchestra unter der Leitung von Manfred Honeck, Solist ist das Klaviergenie Daniil Trifonov, der ebenfalls in der Klavierreihe zu hören ist. Ein Zyklus mit den Beethoven-Sinfonien führt das Orchestre des Champs Élysées unter der Leitung von Philippe Herreweghe an zwei Abenden in die Liederhalle. In der Saison 2016/17 folgen die Sinfonien sechs bis neun. Ein in Deutschland seltener Gast ist das Dallas Symphony Orchestra, das Schostakowitschs siebte „Leningrader“ Sinfonie im Fluggepäck hat.

Im Übrigen wird viel Prominenz auf den Podien der Liederhalle erwartet: die Geigerinnen Isabelle Faust, Patricia Kopatchinskaja, Hilary Hahn und Lisa Batiashvili; die Pianistenreihe prunkt mit Namen wie Grigory Sokolov, Maurizio Pollini, Martha Argerich (allerdings „nur“ im Verbund mit dem Cellisten Mischa Maisky), András Schiff, Rudolf Buchbinder, Marc-André Hamelin und Kit Armstrong sowie Josef Bulva. Trotz einiger Turbulenzen innerhalb der Stuttgarter Kulturgemeinschaft im vergangenen Jahr, wird die gemeinsame Reihe „Faszination Klassik“ fortgeführt. Da ist der Saal immer bumsvoll.