Der einzige Überlebende der Pariser Terroranschläge vom 13. Dezember 2015 ist von Belgien nach Paris überliefert worden. Dort wartet er im Pariser Gefängnis Fleury-Mérogis auf seinen Prozess. Es gilt als das sicherste Gefängnis von Frankreich.

Paris - Von den 79 422 Häftlingen, die in Frankreichs Gefängnisse einsitzen ist er der wichtigste: Salah Abdeslam, 26 Jahre alt, der einzige überlebende Attentäter vom 13. November. Wer, wenn nicht er, kann die Hintergründe der Pariser Terroranschläge erhellen? Wer, wenn nicht er, kann den Ermittlern den Weg zu den nach Ansicht des französischen Geheimdienstes rund 30 Komplizen weisen, die den Attentätern beistanden? Und so tut der französische Staat alles, damit dem am Mittwoch aus Belgien überführten Untersuchungshäftling nichts zustößt, damit in den Jahren bis zur Eröffnung eines Strafprozesses weder Verrat fürchtende Komplizen Abdeslam etwas antun, noch er selbst Hand an sich legt.

 

Noch nie habe es in Frankreich wegen eines Gefangenen einen solchen Sicherheitsaufwand gegeben, stellt Emmanuel Gauthrin am Donnerstag staunend fest, Vorsitzender der Gewerkschaft des Gefängnispersonals SNP-FO. Eine Eliteeinheit der Gendarmerie hatte Abdeslam in einem von Hubschraubern begleiteten Konvoi am Vortag nach einer ersten Vernehmung im Pariser Justizpalast nach Fleury-Mérogis gebracht. Das mit 4000 Insassen größte und nach Überzeugung von Experten sicherste Gefängnis des Landes ist das, wo der in Brüssel geborene Franzose die nächsten Monate, wenn nicht Jahre seines Lebens „unter schärfster Bewachung in Isolationshaft“ verbringen soll, wie Frankreichs Justizminister Jean-Jacques Urvoas sagte.

Schärfste Bewachung rund um die Uhr

Auf Mord, Terrorismus, Freiheitsberaubung, Waffen- und Sprengstoffbesitz lautet der gegen den Islamisten erhobene Vorwurf. Schärfste Bewachung, das heißt, dass Abdeslam rund um die Uhr von drei bis fünf Aufsehern eines zwanzigköpfigen Teams bewacht wird, das eine Sonderausbildung zum Umgang mit besonders gefährlichen Gefangenen absolviert hat. Ebenfalls rund um die Uhr übertragen zwei in der Zelle montierte Videokameras in die Kommandozentrale, was Abdeslam tut oder lässt. Das ihm zur Verfügung stehende Mobiliar ist vor seinem Eintreffen einbetoniert worden. So taugt es nicht zur Waffe, die er gegen sich oder andere richten könnte.

Um zu verhindern, dass er sich mit Laken, Bezügen oder Schlafanzug erhängt, wurde die Bettwäsche ebenfalls dauerhaft fixiert und ein Papierpyjama bereitgestellt. Islamistisch gesinnte Mithäftlinge haben dem „zehnten Mann“, wie der Überlebende des zehnköpfigen Pariser Terrorkommandos auch genannt wird, mit Pfeifkonzerten empfangen. Sie scheinen ihm zu verübeln, dass er am 13. November nicht wie die anderen Terroristen den Märtyerertod gesucht hat. Während Abdeslams Bruder Brahim seinen Sprengstoffgürtel zündete, warf Salah den seinen weg. Zuvor hatte er den Erkenntnissen der Ermittler zufolge Autos und Wohnungen für die Pariser Attentäter gemietet und drei von ihnen zur Fußballarena Stade de France gefahren, wo sie sich wenig später in die Luft sprengten. Salah selbst ließ sich am Tag nach den Anschlägen von Freunden im Auto abholen und nach Brüssel bringen, wo er, zum Staatsfeind Nummer eins ausgerufen, am 18.März bei einer Razzia im Stadtteil Molenbeek festgenommen wurde.

Strafverteidiger kündet Gesprächsbereitschaft an

Angesichts der ihm entgegenschlagenden Ablehnung mag der in der vierten Etage eines renovierten Spezialtraktes von Fleury-Mérogis Untergebrachte nicht unfroh sein, dass auf dem Stockwerk sämtliche Zellentüren automatisch blockiert sind, wenn sich die seine öffnet und er zum täglich einstündigen Gang auf dem Gefängnishof aufbricht. Die sich im Pariser Justizpalast bietende Gelegenheit zum Gespräch mit einem Untersuchungsrichter, hat Abdeslam bisher weitgehend ungenutzt verstreichen lassen. Sein französischer Strafverteidiger Frank Berton hat allerdings angekündigt, dass sich dies beim nächsten Gerichtstermin ändern und sein Mandant am 20. Mai gesprächiger sein werde. Wie die Ermittler hoffen auch Angehörige und Freunde der Anschlagsopfer, mit Hilfe Abdeslams der Wahrheit näherzukommen. Bei den Anschlägen vom 13. November waren 130 Menschen ums Leben gekommen. Womöglich trägt Abdeslam ja auch noch zur Aufklärung der Brüsseler Anschläge vom 22. März bei. Mit den dort mordenden Terroristen soll er ebenfalls gut bekannt gewesen sein. Dass sein belgischer Anwalt Sven Mary ihn als „kleinen Idioten mit der Intelligenz eines leeren Aschenbechers“ charakterisiert hat, stimmt freilich nicht eben zuversichtlich.