Inspektor Pekkala ist wieder da. Diesmal muss der Sonderermittler herausfinden, wer den Chefentwickler des Panzers T 34 auf dem Gewissen hat. Und das unter den misstrauischen Augen von Josef Stalin.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Krimis, die in Diktaturen spielen, haben oft ihren ganz eigenen Grusel. Denn meist legen sich die herrschenden Verhältnisse wie ein Grauschleier auf die Atmosphäre. Dann sind die Bösen nicht nur die allfälligen Verbrecher, sondern gewissermaßen systemimmanent: der Ermittler muss nach – mindestens – zwei Seiten die Augen offen halten. Das ist in „Der rote Sarg“ von Sam Eastland alias Paul Watkins nicht anders.

 

Im zweiten Fall von Sonderermittler Pekkala geht es um den mysteriösen Tod eines sowjetischen Ingenieurs, der an einer kriegswichtigen Waffe gearbeitet hat: dem legendären Panzer T 34, Spitzname „der rote Sarg“. Oberst Nagorski, so der Name des ebenso genialen wie rücksichtslosen Entwicklers, liegt in einem geheimen Testgelände tot unter den Ketten seines tonnenschweren Babys. Es braucht schon die außergewöhnlichen Fähigkeiten eines Inspektors Pekkala, um erstens die Kugel im Kopf der Leiche zu entdecken, zweitens die Hintergründe aufzudecken und drittens einen für die Sowjetunion aus strategischen Gründen zu frühen Kriegsausbruch zu verhindern.

Im Auftrag des Zaren – und des Diktators

Um zu seinem Ziel zu gelangen, muss Pekkala nicht nur auf die Autorität seines Sonderstatus – der ihn in der Sowjetunion der späten 1930er Jahre nahezu unangreifbar macht – zurückgreifen, sondern er muss auch mit Josef Stalin persönlich verhandeln. Das ist für ihn, der bereits unter dem letzten Zaren eine ähnliche Funktion bekleidet hat, zwar kein Neuland. Dennoch ist der direkte Kontakt mit dem obersten Sowjet nicht frei von Risiken.

Sam Eastland schildert das Leben in der Sowjetunion und – in Rückblenden – im ausgehenden Zarenreich nüchtern, aber nicht teilnahmslos. Mit Bedacht eingestreute Details am Rande vermitteln das alltägliche Grauen der Diktatur. Eastland gibt seinen Figuren auch klare Konturen bis hin zur beinahe bulgakowschen Groteske (ein früherer Kollege Nagorskis muss seinen Lebensunterhalt als Ernährer von wissenschaftlich benötigten Blutegeln verdienen), und er führt die Handlung auf einen soliden Showdown hin.

Staatsmann Stalin, russischer Bond?

Ob er allerdings Josef Stalin, den Schlächter von Millionen, als „Staatsmann“ bezeichnen muss, das lassen wir an dieser Stelle jetzt lieber mal dahingestellt.

PS.: Was um alles in der Welt die „Welt“ veranlasst hat, Inspektor Pekkala als „russischen James Bond“ zu bezeichnen, will sich auch nach langem Starren auf den Klappentext nicht erschließen. Aber mit diesem verkehrten Vergleich ist sie ja durchaus in, na, Gesellschaft.

Sam Eastland: „Der Rote Sarg“. Roman. Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet. Knaur TB, München. 368 Seiten, 9,99 Euro.Auch als E-Book, 9,99 Euro.