Die notwendige Sanierung der Staatsoper wird allen Beteiligten viel abverlangen. Niemand sollte die nun auf dem Tisch liegenden Optionen für eine Ersatzoper von vornherein ausschließen, meint Redakteur Thomas Braun.

Stuttgart - Ein neues Konzerthaus in Citylage, das zum einen als Übergangsquartier für Oper und Ballett dient und nach der Interimszeit die überbuchte Liederhalle entlasten könnte – eigentlich eine bestechende Idee. Wenn, ja wenn da nicht ein milliardenschweres Bauvorhaben wäre, das den angedachten Standort im Mittleren Schlossgarten blockiert und von dem derzeit niemand mit Bestimmtheit sagen kann, wann es einmal fertig wird. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Bahn den Fertigstellungstermin für den Tiefbahnhof 2021 einhalten könnte, müsste die Oper bis dahin im maroden Littmannbau ausharren – der Beginn der für 2019 anvisierten groß angelegten Sanierung würde sich verzögern.

 

Insofern tut der Verwaltungsrat mit Stuttgarts OB Fritz Kuhn an der Spitze gut daran, sich auch andere Optionen offen zu halten. Zugegeben: ein Umzug der Künstler, Tänzer und Musiker ins ehemalige Paketpostamt an der Ehmannstraße für die fünfjährige Sanierungsdauer ist auf den ersten Blick schwer vorstellbar. Das Paketdepot müsste für Opern- und Ballettaufführungen mit erheblichem Aufwand umgerüstet werden und wäre auch in puncto Erreichbarkeit sicher nicht die erste Wahl.

Anders verhält es sich mit dem Daimler-Grundstück beim Mercedes-Museum. Zwar wird die Verlängerung der Stadtbahnlinie U 19 bis zum Werktor wohl noch eine Weile auf sich warten lassen. Parkplätze in fußläufiger Entfernung gäbe es freilich in ausreichendem Maß. Ein dauerhaftes Konzerthaus mit entsprechender Nachnutzung an dieser Stelle ist aber – zumindest bisher – für Daimler offenbar kein Thema. Die Lösung wäre also ein echtes Provisorium und würde viel Improvisationskunst erfordern.

Dass sich die Intendanten der Oper und des Balletts frühzeitig gegen ein Interimsquartier in Stadtrandlage positionieren und eine Abwanderung ihres Spitzenpersonals an die Wand malen, ist zwar aus ihrer Sicht nachvollziehbar, wird aber den Zwängen, denen die Stadtplanung angesichts knapper Flächen in der Innenstadt unterliegt, in keiner Weise gerecht. Wem selbst nichts anderes einfällt als die in der Bevölkerung und im Gemeinderat ausgesprochen unpopuläre Idee einer Überbauung des Eckensees oder des Abrisses eines denkmalgeschützten Schulgebäudes, der sollte sich auch angesichts der gewaltigen Investitionen, die durch die Sanierung auf die Steuerzahler in Stadt und Land zukommen, ein bisschen in Demut üben. Große Kunst – und dafür stehen die erst jüngst wieder als Oper des Jahres ausgezeichnete Spielstätte und das Stuttgarter Ballett – würde zumindest für eine Übergangszeit auch außerhalb des unmittelbaren Stadtzentrums ihr Publikum finden.