Ferienzeit ist Bauzeit. An vielen Stuttgarter Schulen wird derzeit unter Hochdruck gearbeitet. Die Stadt möchte bis 2020 einen gewaltigen Sanierungsstau abbauen. Kosten von rund 450 Millionen Euro sind aufgelaufen.

Stuttgart - Während sich die Schüler noch in fernen Ländern in der Sonne aalen oder beim Stadtbummel ihr Taschengeld auf den Kopf hauen, geht es in zahlreichen Stuttgarter Schulen rund. Bauarbeiter schaffen im Akkord, um die unterrichtsfreie Zeit so effektiv wie möglich zu nutzen. Die Tage sind gezählt. Am Montag werden die Schüler wieder in ihre Klassen zurückkehren. Doch zu tun gibt es dann auch für die Handwerker noch jede Menge, denn die Stadt hat einen gewaltigen Sanierungsstau aufzuarbeiten.

 

Rund 450 Millionen Euro Sanierungskosten sind nach Schätzungen der Verwaltung aufgelaufen. Bis 2020 sollen sie abgebaut sein, sagt Karin Korn, Leiterin des Schulverwaltungsamtes. Im aktuellen Doppelhaushalt seien für jedes Jahr bereits 50 Millionen Euro zusätzliche Sanierungsmittel eingeplant, und so soll es auch in den kommenden Jahren weitergehen. Daneben zeichnet sich bereits ab, dass es bei einigen Schulen mit Nachbesserungen nicht getan ist: Dort werden Ersatzneubauten fällig. Diese summierten sich nach aktuellem Stand ebenfalls auf rund eine halbe Milliarde Euro, so Korn.

74 Projekte in den Sommerferien

Allein in diesen Sommerferien wurden laut Schulverwaltungsamt 74 Bauprojekte in Stuttgart vorangetrieben – ohne Neu- und Erweiterungsbauten. Die Maßnahmen, die zum Teil Jahre dauern, summieren sich auf 104,5 Millionen Euro. Der größte Batzen entfällt auf das Berufliche Schulzentrum Nord an der Heilbronner Straße, zu dem die Werner-Siemens-Schule (WSS) und die Kaufmännische Schule Nord (KSN) gehören. Nach mehr als vier Jahren Bauzeit steht der Abschluss der insgesamt rund 46 Millionen teuren Sanierung bevor.

Im Labor für Automatisierungstechnik im Erdgeschoss des WSS stehen die Tische noch kreuz und quer. Alle Arbeitsplätze in den etwa 30 Labors werden künftig mit Energie und Daten versorgt, viele auch mit Druckluft. „Eine solche Ausstattung müssen Sie bundesweit suchen“, betont Schulleiter Rainer Klaus. Es sei wichtig, dass die insgesamt rund 1500 Schüler nah am Betrieb ausgebildet würden. Die Bausubstanz der Schule aus den frühen 1980er Jahren sei gar nicht so schlecht gewesen, sagt Klaus. Doch die Elektrik war veraltet, es gab zu wenige Labors, die Räume waren zu dunkel, der Brandschutz reichte nicht aus. Zudem wurde bei den Arbeiten auch noch Asbest gefunden. Eine Kernsanierung war daher nötig. Was folgte, war ein Kraftakt.

Am heftigsten sei der erste Bauabschnitt gewesen, berichtet Klaus. „Da ging die Baustelle quer durch die Schule. Ein Holzsteg führte übers Dach. Während einiger Bauphasen konnten Sie hier für den Marathon trainieren.“ Unterricht sei jedoch nur in Ausnahmefällen ausgefallen, sagt Klaus. Das Schulverwaltungsamt lobt er und spricht von einer „riesigen Unterstützung“. Im Frühjahr 2015 sollen die Bauarbeiten voraussichtlich abgeschlossen sein. Was er sehr schätzt: die Schule sei viel heller und freundlicher geworden. Das Manko: die Materialien an Wänden und Böden seien recht empfindlich: „Es wird nicht einfach, das in Schuss zu halten.“

Holzsteg führte übers Dach

Böse Überraschung in Feuerbach

Eine Ferienüberraschung gab es an der Bachschule in Feuerbach. Dort steht nach dem Neubau nun die rund zwei Millionen Euro teure Sanierung des alten Schulgebäudes aus den 1970er Jahren an. Während der Deckenarbeiten stellten die Verantwortlichen fest, dass die Stützkonstruktion des Dachs nicht weit genug auf den tragenden Säulen auflag. Statt der geforderten zehn Zentimeter waren es nur fünf. „Es war einfach Pfusch beim Bau“, sagt Architekt Michael Schürmaier.

Der Statiker legte sofort ein Veto ein. 72 Stahlsäulen mussten eingezogen werden, die das Dach jetzt sichern. Obwohl alles wie am Schnürchen lief, hat das drei Wochen Zeit gekostet. Deshalb ist der knappe Zeitplan für die Renovierung der Fassade und des zweiten Stocks durcheinander geraten. Drei Klassen müssen nach den Ferien erst einmal ausweichen, drei andere werden zunächst in provisorisch hergerichteten Klassenräumen unterrichtet. „Wir müssen halt etwas zusammenrücken“, sagt Schulleiterin Silke Plaas. Nach sechs Wochen soll alles wieder im Lot sein. Der erste Stock wird im kommenden Sommer hergerichtet.

Streit um Liegewiese

Einige Schulen haben die Sanierung noch vor sich. So die Wagenburgschule. „Der Beton der Rippendecke ist zum Teil marode“, sagt Schulleiterin Petra Wagner. Gut hundert Jahre haben an dem Gebäudedenkmal, das vom Markthallen-Architekten Martin Elsaesser errichtet wurde, ihre Spuren hinterlassen. Die Elektrik muss erneuert werden, und viele Fenster schließen nicht mehr richtig. Zunächst versuchte die Stadt, in kleinen Schritten etwas zu verbessern. Nun arbeitet sie an einem umfassenden Konzept.

Das Problem: für die Bauzeit müssen Teile der Schule in Container umziehen. Eine Liegewiese gegenüber wäre laut Wagner der ideale Stellplatz für die Ausweichräume, doch eine Bürgerinitiative läuft Sturm dagegen. „Ich war schon betroffen, wie wenig sie die Belange der Schule berücksichtigt hat“, sagt Wagner. Nun muss im Herbst der Gemeinderat entscheiden.

Im Nachhinein ein Glücksfall

Dass sich die stressige Bauzeit lohnen kann, zeigt sich an den Schickhardt-Schulen in Heslach. Amtschefin Korn nennt sie als sehr gelungenes Beispiel für eine Sanierung, und auch der Leiter der Schickhardt-Realschule, Richard Haag, ist voll des Lobes. Die 12,5 Millionen Euro teure Sanierung tat Not. Einige Decken waren schon heruntergekommen, die Fenster „längst überfällig“, sagt Haag. Sein Fazit: „Im Nachhinein war das für uns ein Glücksfall.“ Jetzt sei alles neu, auch die Elektrik wurde gemacht. Besonders glücklich ist Haag über neue Fachräume wie das Musikzimmer.

Da das Schulverwaltungsamt schon 2010 das Tempo bei den Sanierungen erhöht habe, seien die größten Probleme bereits behoben, sagt Korn. Überraschungen bleiben trotzdem nicht aus. So sei der Wasserschaden in der Sporthalle Sillenbuch größer als zunächst gedacht. Sie müsse voraussichtlich bis Jahresende gesperrt werden. Betroffen ist davon etwa das Geschwister-Scholl-Gymnasium. Sonst könne der Unterricht am Montag aber wohl überall wieder starten.