Die Stadt Fellbach baut selbst Wohnungen, eine Praxis und eine Tiefgarage, weil das Leuchtturmprojekt im Sanierungsgebiet sich für einen Bauträger nicht rechnet. Für den Stadtteil Schmiden ist das Vorhaben sehr bedeutend.

Schmiden - Die Fläche im Ortskern ist wenig bekannt, ja unscheinbar. Aber dort, im Rückbereich zwischen Fellbacher und Butterstraße, mit dem Zugang zwischen der ehemaligen Blende und dem heutigen Tattoo-Studio auf der einen Seite und der ehemaligen Parfümerie Lenk auf der anderen soll in Kürze ein „Leuchtturmprojekt“ der Stadt entstehen. Dessen Scheinwerfer sollen im übertragenen Sinn in den Ortskern ausstrahlen und die Chancen des Sanierungsgebiets beleuchten. Dass sich private Nachahmer finden, ist erwünscht. „Bei allen unseren Sanierungsgebieten hat ein öffentlicher Euro das Zehnfache an privaten Investitionen angeregt“, so beschreibt Oberbürgermeister Christoph Palm die Wirkung der städtischen Investition auf dem Gelände.

 

Über einen grünen Innenhof zur Jakobstraße

32 Wohnungen werden dort gebaut. Die Stadt will moderne Räume für eine Praxis und für ein Café schaffen. Sie will örtliche Probleme wie den Parkplatzmangel durch eine Tiefgarage mit bis zu 67 Stellplätzen, davon 25 öffentliche, beseitigen. Ein grüner Innenhof soll entstehen. Fußgänger können das Quartier von der Fellbacher in die Jakob- und Butterstraße durchqueren.

Vier Stimmen gegen „Neue Mitte Schmiden“

In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats ist der erste Schritt gemacht worden: Die Bürgervertreter haben bei vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen aus der CDU entschieden, die „Neue Mitte Schmiden“ zu realisieren und eine Projektgesellschaft zu gründen. Das Besondere an diesem Beschluss und der Auslöser der Gegenstimmen ist es, dass die Stadtverwaltung als Darlehensgeber für die Projektgesellschaft und damit mittelbar selbst als Investor auftritt. Sie bringt die voraussichtlichen Kosten von etwa 13 Millionen Euro auf und trägt das Risiko von Mietausfällen und Kostensteigerungen. „Das ist kein Pappenstiel. Aber wenn wir selber planen und bauen, können wir unsere Ziele umsetzen“, sagt Stadtrat Peter Treiber (FW/FD) dazu. Die Baubürgermeisterin Beatrice Soltys wird Geschäftsführerin der Projektgesellschaft.

Mindestrendite für Bauträger nicht zu erwirtschaften

Private Interessenten gab es nicht, weil der Gemeinderat entschieden hat, das Gelände, wie von Schmidener Bürgern gewünscht, statt mit großen Blöcken locker und kleingliedrig bebauen zu lassen. „Es wäre besser gewesen, die Stadt hätte das Projekt trotzdem an einen Bauträger vergeben“, bemängelt Stadtrat Harald Rienth (CDU). Ulrike Dreßler-Uetz (SPD) widerspricht: „Eine bessere Chance haben wir nicht, alle Forderungen und Wünsche durchzusetzen.“

Das Grundstück mit schwierigem Zuschnitt ist aufgrund der städtischen Planung nicht optimal auszunutzen. Die große Zahl an gewünschten Tiefgaragenplätzen bedeutet zusätzlich hohe Kosten. Die Mindestrendite für den „freien Markt“ sei mit diesen Eckdaten nicht zu erwirtschaften, sind sich die befragten Bauträger aus der Stadt sowie ein weiterer mit sozialem Auftrag aus der Umgebung mit den Stadtbeamten einig. „Die Stadtverwaltung tritt nur dort als Bauherr auf, wo es die private Wirtschaft nicht leisten kann oder will, oder wenn es sich um Daseinsvorsorge handelt. Dieses Projekt bleibt ein Grenzfall für kommunales Handeln und aus meiner Sicht ein Einzelfall“, sagt der Oberbürgermeister.

Wohnraum mit speziellen Anforderungen für Familien

Ausdrücklich sollen die Pläne laut Palm nicht nur mehr „Aufenthaltsqualität“ im Ortskern Schmidens, sondern auch Wohnraum mit speziellen Anforderungen für Familien oder für Senioren schaffen. „Die Tiefgarage kommt in Schmiden gut an. Es ist wichtig, dass die dörfliche Bebauung erhalten bleibt“, ergänzt Peter Treiber. Auch der Grünen-Stadtrat Michael Vonau hebt hervor, dass „der Wille der Bürger, kleinteilig zu bauen, erfüllt wird“.

Die Stadtverwaltung glaubt, das Projekt anders kalkulieren zu können als die freie Wirtschaft und so eine kleine Rendite zu erzielen. OB Palm spricht auch von einer „schwarzen Null“. Der unter Bauträgern übliche Wagnis- und Gewinnzuschlag von 10 bis 15 Prozent entfällt. Der am freien Markt zu generierende Investorengewinn wird nicht benötigt. Eine städtische Gesellschaft erhält bei der Bank sehr günstige Kredite.

Wettbewerb um den besten Entwurf

Schon bis zum Sommer soll unter einigen Architekturbüros ein Wettbewerb um den besten Entwurf stattfinden. Errichtet wird die Variante A, sofern die Stadt noch ein weiteres Grundstück erwerben kann. Die Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage wird dann in der Fellbacher Straße zwischen Gebäude 19 und 21 liegen. Sollten bis zum 2. März mit dem Eigentümer keine unterschriftsreifen Verträge vereinbart sein, wollen die Stadtväter Variante B mit drei Stellplätzen weniger und dem Anschluss an die Butterstraße realisieren. Sie fällt mit Kosten von 12,4 Millionen Euro etwas günstiger und damit wirtschaftlicher aus.