Der stellvertretende Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn widerspricht Konzernlenker Rüdiger Grube in wesentlichen Punkten. Keinesfalls gebe es „grünes Licht“ für das vom Bahn-Chef vorgestellte Sanierungsprogramm.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Bei der Deutschen Bahn gibt es Streit über das Sanierungskonzept „Zukunft Bahn“, das – wie mehrfach berichtet – unter anderem drastische Kürzungen im Güterverkehr auf der Schiene vorsieht. DB-Chef Rüdiger Grube betonte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin, der Aufsichtsrat des Staatskonzerns habe am Vortag während einer „sehr harmonischen Sitzung“ grünes Licht für das Programm gegeben“. Der stellvertretende Vorsitzende des Kontrollgremiums, Alexander Kirchner, widersprach dieser Darstellung mit Nachdruck.

 

„Das ist so nicht richtig“, erklärte der Chef der einflussreichen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und forderte Grube auf, „diese Aussage umgehend zu korrigieren“. Zum Projekt „Zukunft Bahn“ habe es keine Beschlüsse gegeben, der Aufsichtsrat habe nur den aktuellen Status zur Kenntnis genommen. Laut Kirchner gab es eine „lange und kontrovers-kritische Diskussion“ über die Vorschläge des Vorstands. Dabei sei deutlich geworden, dass es in mehreren Geschäftsfeldern an einer langfristigen Strategie fehle, die nachvollziehbar deutlich mache, wohin die Reise geht.

In dieser Schärfe ist Grube in seiner gut sechsjährigen Amtszeit von Seiten der meist kooperativen EVG öffentlich noch nicht kritisiert worden. Der DB-Chef steht wegen massiver Ertragseinbrüche, steigender Verschuldung sowie anhaltender Qualitätsmängel und Auftragsverluste im Personen- und Güterverkehr schwer unter Druck. Das Konzept „Zukunft Bahn“ soll bis 2020 mehr Qualität, Kunden und Erfolg bringen. Insgesamt will der Konzern bis dahin 55 Milliarden Euro investieren, davon 20 Milliarden aus eigenen Mitteln, aber durch Umbauten auch Kosten und Arbeitsplätze kappen. So sollen im Güterverkehr mindestens 2600 der noch gut 30 000 Stellen wegfallen. Personalvorstand Ulrich Weber bestätigte einen Bericht dieser Zeitung, betonte aber, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Bestätigt wurde von der DB erstmals auch ein weiterer StZ-Bericht, wonach der Konzern alle Nachtzüge komplett einstellen und durch Nachtbusse und Nacht-ICE ersetzen will, über eine Fortführung einiger Angebote aber mit der Österreichischen Staatsbahn ÖBB verhandelt werde.

Grube will sofort loslegen

Grube will das Sanierungskonzept „Zukunft Bahn“ nun unverzüglich in Angriff nehmen: „Das Konzept ist verbindlich, wir werden sofort damit starten und beginnen voll mit der Umsetzung“, betonte er auf Nachfrage. Nach Darstellung der DB-Spitze sei dazu kein Beschluss des Aufsichtsrats nötig. Das sieht EVG-Chef Kirchner anders. Das ganze Konzept obliege „dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats“, erklärte der Vizechef des Kontrollgremiums. Kirchner kritisiert Grubes Sparpläne. In den Geschäftsfeldern DB Schenker Rail, DB Regio, DB Dienstleistungen sowie bei den DB-Instandhaltungswerke, die wie berichtet teils von der Schließung bedroht sind, seien die Auswirkungen geplanter Umstrukturierungen auf die Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit vom Vorstand „unzureichend dargestellt worden“. Dieser Auffassung habe sich bei der Sitzung das gesamte Kontrollgremium angeschlossen. In der Folge sei der DB-Vorstand beauftragt worden, für jeden der Bereiche im nächsten Jahr die konkreten Maßnahmen und zudem „eine bis ins Jahr 2030 reichende Strategie zu entwickeln“.

Die DB-Spitze will dennoch wie berichtet für dieses Jahr bereits insgesamt zwei Milliarden Euro Sonderabschreibungen in der Bilanz vornehmen. Rund 1,3 Milliarden Euro entfallen auf Loks, Waggons und Zukäufe im Schienengüterverkehr, wo bei Europas größter Frachtbahn DB Schenker Rail große Einschnitte drohen. 18 der bundesweit 39 Standorte und bis zu 400 der 1500 Verladestellen sollen aufgegeben werden, weil die DB-Tochter bereits seit fünf Jahren Verluste einfährt. 700 Millionen Euro sollen weitere Restrukturierungen kosten, darunter die Zusammenlegung von Standorten der Logistiktochter DB Schenker in Europa, wo ebenfalls ein beträchtlicher Stellenabbau geplant ist.

Über einen Teilverkauf der beiden Bahn-Töchter Arriva und DB Schenker will der Aufsichtsrat auf einer Sondersitzung am 8. Februar beraten. Ein Komplettverkauf, der wie berichtet bis zu zehn Milliarden Euro Erlöse bringen könnte, stehe aber „nicht zur Debatte“, betont Finanzchef Richard Lutz. „Wir werden unsere schönsten Töchter nicht zur Adoption frei geben, sondern in der Familie behalten“, sagte der DB-Vorstand.