Mit harten Sanktionen wollen EU und USA  die russische Wirtschaft empfindlich treffen und so Putin im Ukraine-Konflikt zum Einlenken bewegen. Doch Russland reagiert äußerlich gelassen.

Mit harten Sanktionen wollen EU und USA  die russische Wirtschaft empfindlich treffen und so Putin im Ukraine-Konflikt zum Einlenken bewegen. Doch Russland reagiert äußerlich gelassen.

 

Moskau/Berlin - Russland zeigt sich unbeeindruckt von den verschärften Wirtschaftssanktionen der EU und der USA. Die Strafmaßnahmen würden keine Lösung des blutigen Konflikts in der Ukraine bringen, der Weg führe in die Sackgasse, sagte Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow der Agentur Interfax.

Die Europäische Union mache Russland für "alle Todsünden" verantwortlich, während die Ukraine "ungestraft" ihre Militäroperation in der Ostukraine fortsetze.

Russland verfügte am Mittwoch einen Importstopp für Obst und Gemüse aus Polen. Die Einfuhr fast aller Sorten an Früchten sei vom 1. August an wegen Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit verboten, teilte die Agraraufsicht in Moskau mit. Warschau gilt als einer der wichtigsten Partner der prowestlichen Regierung in Kiew.

Erler befürchtet "Wagenburgmentalität"

Die Bundesregierung rechnet nicht mit einer schnellen Wirkung der Sanktionen. "Zu erwarten, dass sich kurzfristig etwas ändert, das ist meines Erachtens nicht realistisch", sagte der Russlandbeauftragte Gernot Erler (SPD) im ARD-"Morgenmagazin". Erstens brauche es Zeit, bis die Sanktionen wirken. Zweitens werde eine "Wagenburgmentalität" in Russland aufgebaut - "nach dem Motto: Na ja, vielleicht ist das ja sogar eine Chance für uns, etwas unabhängiger vom Westen zu werden."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dringt darauf, den Gesprächsfaden mit Moskau trotz der Sanktionen nicht abreißen zu lassen. "Sanktionen alleine sind noch keine Politik", erklärte er in Berlin. Ein für diese Woche geplantes Treffen zwischen der internationalen Kontaktgruppe und Vertretern der Ostukraine in der weißrussischen Hauptstadt Minsk müsse Schritte zu einer Waffenruhe vereinbaren.

Nach der EU hatten auch die USA die Sanktionsschraube angezogen. US-Präsident Barack Obama sagte, die Strafmaßnahmen gegen den russischen Finanzsektor sowie gegen den Energie- und Militärsektor würden jetzt "noch mehr Biss haben". Auf Fragen machte Obama aber klar: "Dies ist kein Kalter Krieg." Kremlchef Wladimir Putin müsse die Unterstützung der Separatisten beenden. "Russland isoliert sich heute erneut selbst von der internationalen Gemeinschaft", sagte er.

Das US-Finanzministerium setzte unter anderem drei weitere Banken auf die Sanktionsliste. Betroffen seien auch Technologiefirmen im Militärbereich und Unternehmen aus der Ölbranche. Nur Stunden zuvor hatte sich die EU auf ein Paket von Strafmaßnahmen geeinigt, in dem erstmals russische Wirtschaftsbereiche im Zentrum stehen.

Der Sprecher der deutsch-russischen Außenhandelskammer in Moskau hält die finanzpolitischen Sanktionen für besonders schmerzhaft. Russlands große Staatsbanken finanzierten sich bisher vor allem über den US-amerikanischen oder den europäischen Kapitalmarkt, sagte Jens Böhlmann im "Deutschlandradio Kultur". Auf deutscher Seite rechnet er mit Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau.

Der vom Westen mit Sanktionen belegte tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow wies demonstrativ humanitäre Hilfe von 7,5 Millionen US-Dollar (5,59 Mio Euro) für das Kriegsgebiet Ostukraine an. Das Geld aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien sei für die medizinische Versorgung der Bevölkerung, teilte Kadyrow mit. Unterstützt würden die von Kiew nicht anerkannten "Volksrepubliken Donezk und Lugansk", in denen bei Attacken täglich Menschen getötet würden.

Moskau beliefert Irak mit Waffen

Moskau selbst liefert unterdessen an andere Länder Kriegsgerät. Nach einem Medienbericht hat Moskau mit dem Irak ein Waffengeschäft in Höhe von umgerechnet rund 750 Millionen Euro abgeschlossen. Zwei Mitarbeiter der Waffenindustrie hätten bestätigt, dass Russland Panzerabwehrraketen, Granatwerfer und Haubitzen in den Irak exportiere, berichtete die russische Tageszeitung "Wedomosti" (Mittwoch). Zu dem Kriegsgerät gehöre auch der gepanzerte Mehrfachraketenwerfer TOS-1.

In der krisengeschüttelten Ostukraine ist kein Ende der erbitterten Kämpfe zwischen Regierungseinheiten und Separatisten in Sicht. Innerhalb von 24 Stunden seien mindestens 19 Zivilisten im Raum Donezk getötet worden, 31 Menschen wurden verletzt, teilten die örtlichen Behörden mit. Zudem seien bei der Explosion einer Mine zwei Menschen ums Leben gekommen. Mehrere Kinder mussten mit Verwundungen in eine Klinik gebracht werden. Die Armee und die prorussischen Aufständische gaben sich gegenseitig die Schuld an den Opfern.

Rund 730.000 Ukrainer überquerten den Behörden in Moskau zufolge seit Beginn der Gefechte Mitte April die russische Grenze. Einen Status als Flüchtling hätten rund 50 000 davon beantragt. Die humanitären Zustände in der Region würden immer schwieriger, sagte ein Sprecher.

Die Bundesregierung ist nach Medieninformationen zurzeit gegen eine Stationierung von Nato-Truppen in osteuropäischen Bündnisstaaten. Die Regierung gehe "bis auf Weiteres davon aus, dass auf die permanente Stationierung substanzieller Kampftruppen im östlichen Bündnis verzichtet werden kann", heißt es in einer noch unveröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion, wie Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten.