Die Mehrheit der Bundesländer verzichtet vorerst auf eine Zuspitzung des Streits zwischen Deutschland und der Türkei über den Vorwurf von Beleidigungen des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan durch den Satiriker Jan Böhmermann.

Berlin - Der Bundesrat lehnte es am Freitag ab, einen Antrag zur sofortigen Streichung des sogenannten Majestätsbeleidigungs-Paragrafen 103 in den Bundestag zu überweisen. Sollte der Paragraf 103 ersatzlos wegfallen, hätte das von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich gebilligte Verfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung Erdogans keine Substanz mehr.

 

Merkel will zwar auch den aus der Kaiserzeit stammenden Paragrafen abschaffen, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt. Sie hatte ihre gegen den Willen der SPD-Minister getroffenen Entscheidung mit den „engen und freundschaftlichen Beziehungen zur Türkei“ begründet. Merkel kam damit dem Wunsch der Türkei nach, die die Bundesregierung zu Maßnahmen gegen Böhmermann nach Paragraf 103 aufgefordert hatte. Demnach ist die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter verboten. Allerdings können Staatsanwälte erst ermitteln, wenn die Bundesregierung dafür grünes Licht gibt.

Aufgabe des Staates

„Die Pflege diplomatischer Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland ist heute zu recht alleinige Aufgabe des Staates selbst und nicht die Aufgabe einzelner Bürgerinnen und Bürger“, kritisierte der Hamburger Senator Till Steffen (SPD) die Entscheidung Merkels. Er warf der CDU-Chefin vor, eine „Lex-Böhmermann“ mit dem befristeten Festhalten an dem Paragrafen zu schaffen: „Der Straftatbestand wird schließlich genau nur noch auf diesen einzigen Fall Anwendung finden.“

Für den Antrag Hamburgs auf sofortige Entscheidung über den zusammen mit Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Thüringen und Bremen eingebrachten Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen 103 gab es 30 Ja-Stimmen, nötig wären mindestens 35 gewesen. Der Entwurf wurde in die Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen.

Zweites Verfahren

Erdogan geht in einem zweiten Verfahren auch zivilrechtlich gegen Böhmermann vor, dessen „Schmähkritik“ am Präsidenten grobe Beleidigungen enthält. Böhmermann hatte in einer ZDF-Sendung mit dem Gedicht zeigen wollen, welche Art Satire in Deutschland verboten sei. Er reagierte damit auf Kritik der Türkei an einer anderen Satiresendung, in der unter anderem das Vorgehen gegen regierungskritische Medien in der Türkei aufs Korn genommen wurde. Bürgerrechtler werfen Erdogan vor, zunehmend demokratische Prinzipien wie Meinungsfreiheit zu verletzten.