Die EnBW klagt auf Schadenersatz für die Abschaltung von Reaktorblöcken in Philippsburg und Neckarwestheim. Die Klage richtet sich auch gegen das Land Baden-Württemberg, das knapp 47 Prozent der EnBW-Aktien hält.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Bisher hatten nur Eon, RWE und Vattenfall gegen den 2011 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung verhängten Atomausstieg geklagt. Nun springt überraschenderweise auch die EnBW auf diesen Zug auf. Am Dienstag reicht der Konzern eine Schadenersatzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden-Württemberg ein. Konkret geht es darin um die wirtschaftlichen Folgen des Atom-Moratoriums, das Bundeskanzlerin Angela Merkel am 14. März 2011 wenige Tage nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima verkündete. Auf Grundlage des Moratoriums wurden die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke zunächst für drei Monate stillgelegt. Den endgültigen Atomausstieg regelte erst die 13. Novelle des Atomgesetzes vom 6. August 2011.

 

Die EnBW stützt sich auf ein Urteil zum AKW Biblis

An diesem Punkt setzt die Klage der EnBW an. Der Konzern stützt sich dabei auf das sogenannte Biblis-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013. Die Richter hatten darin entschieden, dass die vorübergehende Stilllegung des Blocks A und die endgültige Abschaltung des Blocks B bei dem von RWE betriebenen hessischen Atomkraftwerk nicht rechtmäßig angeordnet worden waren. „Die dafür ausschlaggebenden Gründe sind auf die EnBW übertragbar“, heißt es in der Mitteilung des Karlsruher Energiekonzerns.

Konkret bezieht sich die Schadenersatzklage der EnBW auf den Zeitraum zwischen der Abschaltung der Reaktorblöcke Neckarwestheim I und Philippsburg 1 am 16. und 17. März 2011 und dem Inkrafttreten der 13. Novelle des Atomgesetzes. Der dadurch entstandene Schaden beläuft sich nach Angaben der EnBW auf einen „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“. Allerdings war der Konzern 2011 innerhalb der vorgesehenen Vierwochenfrist nicht mit rechtlichen Mitteln gegen das Moratorium vorgegangen. Die Einreichung der Schadenersatzklage zum jetzigen Zeitpunkt begründete ein EnBW-Sprecher damit, dass mögliche Ansprüche Ende dieses Jahres verjähren würden. „Wir wollen damit unsere Rechtsposition wahren.“ Im Übrigen verweist der Sprecher auf das Aktienrecht, nach dem die EnBW verpflichtet sei, „im Interesse der Aktionäre“ Schadenersatz geltend zu machen.

Der Großaktionär ist wenig begeistert

Der Großaktionär Baden-Württemberg, der wie der Zweckverband OEW 46,75 Prozent der EnBW-Anteile besitzt, machte in Form einer Mitteilung von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) klar, dass er alles andere als begeistert von der Entscheidung des EnBW-Vorstands ist – immerhin richtet sich die Klage auch gegen das Land selbst. Der Aufsichtsrat sei nicht direkt an der Entscheidung beteiligt gewesen, sagte der Sprecher. Dort sei lediglich „die rechtliche Situation dargelegt“ worden. Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), der auch im EnBW-Aufsichtsrat sitzt, wollte sich nicht zu der Klage äußern. „Das ist operatives Geschäft, da mischen wir uns nicht ein“, sagte eine Sprecherin. Anders als Eon, RWE und Vattenfall hat die EnBW keine Verfassungsklage gegen die vom Staat erzwungene Abschaltung von Atomkraftwerken eingereicht. Die EnBW begründete ihre Zurückhaltung bereits im Juli 2012 damit, dass ihr als Unternehmen, das zu 98 Prozent in öffentlicher Hand liegt, die Grundrechtsfähigkeit fehle. Gleichzeitig zeigten sich die Karlsruher seinerzeit zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht bei erfolgreichen Beschwerden ihrer Wettbewerber „auch die Interessen der EnBW berücksichtigen wird“. Der Sprecher erneuerte am Montag die Absage an eine Verfassungsklage der EnBW gegen das Atomgesetz – aus der sich möglicherweise auch Ansprüche für den Zeitraum nach dem 6. August 2011 ableiten ließen. Das schließt allerdings nicht aus, dass die EnBW sich wie auch im aktuellen Fall auf ein Urteil stützt, das ein Konkurrent erstritten hat. Laut Schätzungen könnten Eon, RWE und Vattenfall bei einem Erfolg in Karlsruhe für entgangene Gewinne aus dem Betrieb ihrer Reaktoren zusammen bis zu 15 Milliarden Euro Schadenersatz fordern.