Das große Fest hat wieder rund 100 000 Menschen nach Markgröningen gelockt. Mitten dabei im Festzug und auf dem Stoppelfeld: Ernst Reutter. Er ist schon seit 45 Jahren aktiv.

Markgröningen - Er steht mittendrin bei sengender Hitze am Samstag auf dem Stoppelfeld. Zehntausende Besucher schauen zu, wie beim Schäferlauf Lisa Link-Wohlfahrt und Daniel Erhardt gewinnen, wie im Vorjahr. Ernst Reutter trägt eine rote Weste, einen lindgrünen Mantel mit goldenen Knöpfen – und die Fahne der Schäferzunft. Der 61-Jährige ist seit 45 Jahren beim Schäferlauf aktiv dabei.

 

Ans Aufhören denkt er schon mal gelegentlich. „Früher wäre ein Schäferlauf ohne mich unvorstellbar gewesen“, sagt er, „langsam müssen auch die Jüngeren mal dran kommen.“ Doch noch trägt er wie seit 1986 jedes Jahr die Fahne. Davor war er beim Schäfer- und Hahnentanz beteiligt. Als kleiner Junge ist er mit dem Markgröninger Spektakel aufgewachsen.

Die Familie ist beim Schäferlauf engagiert. Schon sein Vater war 30 Jahre lang involviert und hat beim Festspiel „Der treue Bartel“ mitgewirkt. Ernst Reutters Sohn Marc setzt die Tradition fort: Er ist der Vorsitzende der Schäferlauffreunde und hat die Homepage dazu aufgebaut.

Vor dem Umzug noch den Stall ausgemistet

Am Freitag schaut sich Ernst Reutter das Leistungshüten an. Ein oder zwei Stunden hat er Zeit – früher war es knapper, als noch Milchvieh auf dem Hof am Tammer See zu versorgen war. Inzwischen hat er umgesattelt auf eine Biogasanlage, die ist weniger betreuungsintensiv. Dann, am Freitagabend, ein Höhepunkt für den Landwirt: Die langjährigen Teilnehmer des Schäferlaufs werden gewürdigt. Reutter ist mit 45 Jahren der dienstälteste. Er freut sich über die Lobesworte. Doch noch mehr Freude macht es ihm, danach in den Altstadtgassen an den Ständen und Tischen alte Bekannte zu treffen.

„Es hat sich viel verändert“, sagt Reutter, wenn er zurückblickt. Früher habe die Tradition im Vordergrund gestanden, heute sei das Festival mehr ein Event. Auch die Qualität des Krämermarktes sei nicht mehr die wir früher: „Es ist schade, dass durch die Sicherheitsvorschriften viele Marktstände in engen Gassen weichen mussten“, sagt er. Dafür lobt Reutter Neuerungen wie den Kunsthandwerkermarkt.

Allzu lange feiert der 61-Jährige am Freitagabend aber nicht. Denn am Samstag muss er um 9 Uhr wieder auf der Matte stehen: Abholung des Landrats und Aufstellung zum Marsch. „Früher habe ich davor immer noch den Stall gemacht“, sagt Reutter. Da musste er noch früher aufstehen.

Der Festzug macht eine Pause – für den Gottesdienst

Routiniert geht das alles, jeder hat im Festzug seinen Platz. „Immer den Ordnern folgen, wenn die Kapelle anfängt zu spielen, läuft man los.“ Eine Ehre sei es schon, das Zunftabzeichen der Schäfer zu tragen. In diesem Jahr geht es nicht zweimal durch die Stadt, sondern einmal auf einer längeren Route. Wie immer pausiert der Umzug für einen Gottesdienst. Alle rein in die Kirche, beten und Andacht, und wieder raus zur Aufstellung. Dass das reibungslos klappt, ist jedes Mal ein kleines Wunder.

Ernst Reutter lebt und liebt den Schäferlauf. Nur einmal, im Jahr 1979, gab es einen tragischen Unfall: Pferde rissen sich los, zwei Menschen wurden zu Tode getrampelt. „Das war furchtbar, daran habe ich noch lange gedacht.“ Doch seither ging zum Glück alles gut.

Das Wichtigste sind Gespräche am Abend

Auf dem Stoppelfeld trägt Ernst Reutter die Geschenke für die Schäferlaufkönige. Ein Schaf und ein Rucksack aus Lammfell, inzwischen gibt es auch einen Geldpreis. Schließlich müssten die Schäfer heute ums Überleben kämpfen. Reutter ist hautnah dabei, wenn die Sieger geehrt werden, der Bürgermeister Rudolf Kürner die Krone übergibt, wenn die Wasserläuferinnen wetteifern. Und wenn es wieder zurück geht in die Stadt. Das offizielle Lammessen schwänzt Reutter aber meistens – er trifft sich lieber mit Freunden. Am Samstag geht es dann auch mal bis 1 oder 2 Uhr.

Am Sonntag darf er ausschlafen, erst um 12.30 Uhr wird erneut Aufstellung genommen. Diesmal im blütenweißen Gewand, der Tracht der Schäfer. Durch die Stadt zu laufen, das Klatschen und Jubeln der Menge zu sehen, da lebt Ernst Reutter auf. Rund 100 000 Besucher haben das Fest insgesamt besucht. Irgendwann will Reutter den Zunftstab abgeben. Vielleicht bleibt er in der Familie: Auch sein Schwiegersohn läuft bereits mit.