Beim Faschingsauftakt haben die Cannstatter die Nase vorn – in der Innenstadt geht es erst am Montag richtig los. Mit einer Ausnahme: Das Calwer Eck Bräu. Hier hat der einstige Faschingsprinz Klaus Schöning den Kneipenkarneval erfunden.

Stuttgart - Kumm lass mer fiere, nit lamentiere“: Die Kölsche Feierlust, wie sie die Höhner besingen, ist am Altweiberfasching noch nicht so recht in den Kessel geschwappt. Zum Faschingsauftakt am Donnerstag herrschte auf dem Marktplatz graue Geschäftigkeit. Einzig bunter Akzent waren die Luftschlangen in den Bäckerei-filialen. Schließlich muss ja irgendwer die schrägen Berliner-Kreationen etwa mit Nussnugat- oder Eierlikörfüllung kaufen.

 

Apropos Eierlikör: Der wurde zur gleichen Zeit großzügig auf dem Cannstatter Marktplatz ausgeschenkt. Hier herrschte tatsächlich so etwas Ähnliches wie Ausgelassenheit. Remshexen und Quellengeister trafen auf Sumpfhühner und Leichtmatrosen. Fleißig wurden Lose gezogen und die grünen Einkaufstaschen gefüllt. Und der Mann am Bäckerstand erfuhr von seiner Kundin, dass es bei den Küblern „Ahoi“ heißt, „weil mir am Necker send“. Auf der Bühne gab’s Ein- und Ausmärsche wie am Fließband. Der Knoblauch zum Geisteraustreiben kostete einen Euro die Knolle.

Da muss es Sophies Brauhaus mit der Angst zu tun bekommen haben. Eigentlich sollte der Ableger der Stuttgarter Kneipe in Bad Cannstatt in der Felgergasse an Weiberfasching eröffnen. Doch statt „Narri-Narro“ erwarteten die Gäste verhängte Fenster. Man verschiebe das Ganze um „ein paar Tage“ stand lapidar auf einem Zettel an der Tür. Da wirst narrisch!

Auch der Eins-a-Aussichtsplatz am Marktgeschehen hatte geschlossen. Aber zum Glück nur vorübergehend. Der rote Hirsch, seit Oktober 2015 Teil des Gastroreiches List & Scholz, wurde für den abendlichen Ansturm nach dem Kübelesrennen narrensicher gemacht. Alles Mobiliar raus, provisorische Stehtische angeschraubt, und mittendrin versuchte Christian List den Überblick zu bewahren. Stress? Ein wenig. Aber der lohne sich. Der Fasching in Cannstatt sei „bemerkenswert schön“. Muss er ja sagen, als stellvertretender Oberkübler.

Das Calwer Eck als Keimzelle

Und in Stuttgart? Da gab es immerhin mal die legendären Partys bei der Akademischen Gesellschaft Sonderbund an der Azenbergstraße. Von Donnerstag bis Dienstag wurde hier gefeiert, immer nach einem Motto, Hochphase war Ende der 80er  Jahre. Der Fuchsmajor und Archivwart Christopher Fasshauer hat die Beweise und sagt: „Da wollen wir in absehbarer Zeit wieder hinkommen.“ Zuletzt seien die Partys wegen der starken Konkurrenz eingeschlafen. Dieses Jahr feiert der Sonderbund erstmals wieder an zwei Tagen, aber erst am 19. und 20. Februar. Mit Kostüm. Die Chance also zum Auftragen.

Am Rosenmontag geht die Feierei richtig los: Die Gesellschaft Zigeunerinsel gibt traditionell im Mash im Boschareal Gas. Und auch die Partygriechen vom Cavos lassen es krachen: „Die Götter des Olymp“ heißt ganz bescheiden das Motto des Abends. Schließlich geht’s am Dienstag nach dem Umzug in der Boa ganz entspannt dem Aschermittwoch entgegen.

„Wir haben’s erfunden“, sagt Klaus Schöning, Urgestein der Gastroszene. Er hat 1987 das Calwer Eck Bräu eröffnet, damals als „Fasching nicht so angesagt war in Stuttgart“. Feiern können die Schwaben sonst doch auch, hat sich der Wirt gedacht, der mit einer Rheinländerin verheiratet ist. Das Partykonzept ging auf: Anfang der 90er standen am Faschingsdienstag schon morgens um 10 Uhr 150 bis 200 Kostümierte bis auf die Calwer Straße Schlange. Kein Wunder: Schöning war Faschingsprinz bei der Gesellschaft Möbelwagen. „Ich war die Ausnahme: Man hat mich nicht wegen der Stimme genommen, sondern wegen meines Namens.“ Das hat auch dem Lokal gedient: „Die Gardemädels und Elferräte haben bei mir vier Tage lang durchgefeiert.“