Alles außer Mainstream: Daniel Brunner eröffnet am Königsbau am 31. März das Kaufhaus Mitte. Bis Ende Dezember bietet er dort Mode, Design und Accessories von außergewöhnlichen Marken an.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Er hätte es „Multibrand-Store“ nennen können oder „Concept Store“. Daniel Brunner nennt es schlicht „Kaufhaus Mitte“. Am 31. März eröffnet er in der ehemaligen Strauss-Filiale am Königsbau, Königstraße 28, direkt mit Blick auf den Schlossplatz ein Kaufhaus. Auf 650 Quadratmetern präsentiert er internationale, nationale und regionale Marken an. „Bränds“ sagt er. Mainstream sollen diese Marken auf keinen Fall sein. Davon gebe es auf der Königstraße genug. Seine Linie ist klar: „Produkte mit Seele, die eine Geschichte zu erzählen haben, die besonders sind.“ Der obere Bereich ist für Mode reserviert, der untere für Accessoires, Möbel und Kleinkram. Das hat einen einfachen Grund: „Die Leuten kruschteln gerne.“

 

Brunner betreibt den Blog und das Modelabel Pop Rocky. Zweimal im Jahr veranstaltet er die „Stylekantine“ – einen eintägigen Design- und Lifestyle-Markt in der Mensa der Uni Stuttgart. Das Konzept sei ähnlich: Viele verschiedene Marken auf kleinem Raum. Mit seinem Shop-in-Shop-Konzept auf Zeit bedient Brunner den aktuellen Trend nach kreativen, temporären Geschäften. Bis Ende Dezember soll das Kaufhaus Mitte zunächst geöffnet sein.

Entstanden ist die Idee des Pop-up-Stores bereits 1999 in Tokio. Das erste Kaufhaus in Deutschland, welches mit kleinen Boutiquen, Flagship-Stores und Gastronomien an einem Ort eine Alternative zu den gängigen Einkaufsstraßen bot, war das Bikini in Berlin.

Zeit der Fluxus Mall endet wohl Ende des Jahres

Seitdem hat sich das Modell Concept Store verbreitet. In Stuttgart gibt es mit dem Fluxus in der Calwer Passage ein kleinere Ausgabe. Ende des Jahres ist die Zeit der Fluxus Mall aber wohl endgültig vorbei. „Wobei wir schon gerne weitermachen dürfen“, sagt Fluxus-Projektleiter Hannes Steim. Neue Einflüsse in die Stuttgarter Einkaufslandschaft hat auch Vanessa Heepen mit The Local House gebracht. Ende 2015 hatte sie einen Pop-up-Store für Interior, Mode und Schmuck am Marktplatz. Letzten Dezember hatte sie einen Laden auf Zeit an der Tübinger Straße – dort sogar mit Café. „Mir macht es Spaß, neue Locations und Konzepte auszutesten“, erzählt Heepen. „Ich mache das, was ich selbst in der Stuttgarter Einkaufswelt vermisse.“

Vorübergehende Geschäfte bringen viel Abwechslung in eine Stadt. Auch praktisch Überlegungen darüber, was „cool“ ist, werden einem dort abgenommen: Jemand anderes, der hipper und geschmackssicherer ist, hat sie schon für einen getroffen und bietet eine Orientierung inmitten all des Konsumwirrwarrs. Heepen will The Local House auf jeden Fall auch in anderen Städten machen. In Stuttgart wiederum wird sie nun sesshaft: In Kürze eröffnet sie einen Laden an der Vogelsangstraße.

Eine geeignete Location zu finden, ist aber oft schwer. Brunner hat 20 Bewerbungen geschrieben und 20 Absagen erhalten. Geklappt hat es letztlich nur mit Unterstützung der Stadt, betont Brunner. Seit etwas mehr als zwei Jahren beschäftigt die Stadt Stuttgart in der Wirtschaftsförderung eine Leerstandsmanagerin, deren Aufgabe es ist, solche Pop-up-Projekte zu fördern. Sie bringt Vermieter und Händler zusammen. Die bisherige Leerstandsmanagerin Maike Harm hat vor ihrer Elternzeit auch Brunner unterstützt. „Der Vermieter fand das Konzept cool“, sagt Brunner. Ein Glücksfall sei es, jemand gefunden zu haben, der „auf so etwas Bock hat“.

Suche nach Ladenflächen gestaltet sich schwierig

In Stuttgart mangelt es aus seiner Sicht an Vermietern, die ihren leer stehenden Laden auch vorübergehend vermieten. Dabei seien Läden auf Zeit, sogenannten Pop-up-Stores, die irgendwo aufpoppen und dann wieder verschwinden, ein „zukunftsträchtiges“ Konzept. „Im Fluxus läuft das ja sehr gut.“ Er versteht nicht, warum es so wenige Flächen dafür gibt: „Es ist eine Win-win-Situation für alle.“

Das sieht Ines Aufrecht ebenso. Die Stelle der Leerstandsmanagerin werde deshalb nachbesetzt, sagt die Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderung. Aber sie ist überzeugt, dass die Chancen für junge Einzelhändler, vorübergehend einen geeigneten Raum zu finden, gar nicht so schlecht sind. Man habe einige erfolgreich vermitteln können, sagt Aufrecht, auch bei größeren Projekten wie der Dekumo, dem Holy Shit Shopping oder der Palermo-Galerie. „Ich glaube fast, wir sind herausragend in Stuttgart. Das können wir mit Selbstbewusstsein sagen.“ Ihre Begründung: Mit dem Leerstandsmelder habe man eine Plattform im Internet für Suchende und Anbieter; und ihr sei keine Stadt bekannt, die dafür eine in der Verwaltung angesiedelte Stelle habe. Natürlich hängt es stark davon ab, was jemand macht. Bei Brunner ist sein „Glück“ mit dem Projekt verbunden: „Das Kaufhaus ist total originell. Es verbindet Ökonomie und Kreativität“, sagt Aufrecht.

Die Förderung von Pop-up-Stores ist der Wirtschaftsfördererin wichtig, weil sie die Nachfrage nach Immobilien auf Zeit nicht als Trend sieht, sondern als generelle Entwicklung in der Gesellschaft. „Das ist keine Eintagsfliege.“ Die Menschen stellten sich anders auf, sie beobachte eine Offenheit für Austausch mit anderen, man sei ständig in Kontakt und initiiere gemeinsam kreative Projekte. „Eine tolle Entwicklung.“ Eines dieser Projekte sei eben das Fluxus.

Die alternative Mall in der Calwer Passage ist mit demselben Anspruch gestartet wie Daniel Brunner: eine Alternative zu Einkaufszentren mit den immer gleichen Modeketten zu bieten. Lustigerweise hat das Konzept mit dem Gerber Upstairs den bisher einzigen Nachahmer in Stuttgart gefunden. Im Obergeschoss des Einkaufszentrums an der Paulinenbrücke gibt es wechselnd bespielte Pop-up-Boxen. Der Erfolg ist nicht ganz so groß wie im Fluxus, dessen Flair sich eben nicht so leicht an einen anderen Ort kopieren lässt. Das Projekt Fluxus mit demselben Namen sieht Steim deshalb nicht an einem anderen Ort in Stuttgart. Seiner Meinung nach müsse aber auch nicht alles „bis zum Sankt Nimmerleinstag bestehen“.