Die Wegwerfkultur nervt die Modemacherin Cornelia Meder: Sie verwendet nur abgelegte Kleidung für ihre Kreationen und bei Marken Ware kommen die Schätze aus der Briefmarkensammlung aufs T-Shirt.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Die Schneiderpuppe in Cornelia Meders Wohnzimmer entscheidet über Wohl und Wehe einer Idee. „Ich drapiere etwas auf ihr und dann frage ich mich ‚würde das eine Frau tragen’?“. Zum Beispiel einen Rock, der sich aus zwei Herrenhemden zusammensetzt und durch den Mustermix von Streifen links und Karo rechts zum ausgefallenen Stück wird. In diesem Fall hat die diplomierte Modedesignerin entschieden: ja, das ist tragbar und in ihrer Kollektion finden sich jetzt die leichten Sommerröcke mit der (Hemd)-Knopfleiste vorne in der Mitte und den seitlichen Taschen aus den ehemaligen Hemdenärmeln. Das Material für ihre Modelle holt Cornelia Meder aus Second Hand-Laden oder auf dem Flohmarkt. Sie macht Mode aus Mode, die keiner mehr will. „Ich habe mich bewusst dazu entschlossen“, betont sie, denn die Wegwerfmentalität, die besonders im Modesektor herrscht, nervt sie. „Die Arbeitsbedingungen der Menschen, die in der Textilindustrie arbeiten, haben mich im Studium sehr beschäftigt“, sagt sie. Jahrelang hat sie in großen Firmen gearbeitet und sich vor eineinhalb Jahren selbstständig gemacht. Ihr Label setzt sich aus ihrem Vor-und ihrem Nachnamen zusammen: Comed Design und sie wirbt damit, dass Mode, made by Meder die Umwelt schont.

 

Krawatten im Opastyle

Zu ihren Rohstoffen gehören kitschige Halstücher aus Kunstseide genauso wie Herrensweatshirts aus denen sie Damenmäntel zusammenpuzzelt,dazu gehören auch Schals, die zu Westenwerden oder Krawatten im Opastyle. Farblich harmonierende Schlipse näht sie zu asymmetrischen Bindegürteln zusammen oder sie rafft die Seidenkrawatte zu einer halbrunden Form und näht daraus eine Art textile Halskette. „Dafür brauche ich eine Stunde“, rechnet sie vor. Nicht mitgerechnet die Streifzüge durch Läden und Märkte, die Reinigung, das Auftrennen. Ihren Umsatz macht sie mit solchen Accessoires. „Manche meiner Entwürfe wären einfach zu teuer“, sagt sie. Bisher bringt sie auf Messen und im Internet ihre Kreationen unter die Leute und hofft, dass sie die Leute mit ihrem Konzept ein wenig zum Nachdenken bringt. „Ich selbst kaufe mir lieber einmal ein teureres Stück, das ich dann über Jahre habe – und mit dem gehe ich auch viel pfleglicher um.“

Der Kletterer aus den Congo

Der Umgang mit einer Briefmarkensammlung ist besonders delikat: Kein Zähnchen darf geknickt werden, kein Fingerabdruck auf der Marke sein. Julia Liesenberg und Christine Braake horten Türme solcher Alben voller Kleinode in ihrem Atelier. Ihr Label Marken Ware lässt mit etwas Fantasie schon erahnen, dass sich dahinter Produkte verbergen, bei denen Briefmarken die Hauptrolle spielen. Die beiden Frauen bedrucken Stoff mit den originellsten Motiven, die vor zig Jahren als Briefmarken verkauft wurden. „Manches Detail kommt erst in der Vergrößerung richtig raus“, sagt Julia Liesenberg und verweist auf eine kleine schwarze Gestalt, die an einer Dattelpalme hochklettert um deren Früchte zu ernten. Auf der kleinen Briefmarke aus dem „Congo“ von 1908 war der kletternde Arbeiter gar nicht zu erkennen, wohl aber auf der Vergrößerung. Die gedruckten Marken zieren Sweat-Shirts, T-Shirts, Taschen, Kissen und Schürzen.

Verliebt in die filigranen Motive

Die beiden findigen Frauen sind förmlich verliebt in die Motive, die sie in den Sammlungen finden, die ihnen immer wieder vererbt werden, weil die Alben von Onkel Hartmut oder Opa Ernst seit Jahren auf dem Dachboden lagen und sie so noch einmal zu Ehren kommen. Und Julia Liesenberg und Christine Braacke lassen nicht locker, auch ausgefallene Sonderwünsche zu erfüllen. Ein Kunde wollte eine Tasche mit einem Marken-Motiv mit der Metal-Band Metallica. Sie gaben sich nicht geschlagen und fanden die Rocker auf einer Briefmarke aus Sierra Leone.

Kuba macht die originellsten Marken

„Kuba macht besonders originelle Marken“, erzählt Julia Liesenberg – und mitunter auch sehr Gewöhnungsbedürftiges wie jene, die den Verbreitungsweg des Schweinebandwurms visuell beschreibt. Auf ihrer Homepage haben die beiden Marken Ware-Frauen Motive nach Ländern und Gegenständen geordnet und in sechs Jahren Beschäftigung mit Briefmarken haben sie nicht nur eine gewisse Ehrfurcht vor den feinen Stichen, die die Markenvorlage bilden, entwickelt, sondern auch viele Anekdoten über ihr Hobby zusammen getragen. Einmal haben sie sogar eine Philateistenmesse besucht. Aber gerade dort traf ihre Geschäftsidee auf wenig Gegenliebe. „Wir waren dort wie Außerirdische“, charakterisiert Julia Liesenberg die Stimmung.

Anmerkung Print:

Homepage:

www.marken-ware.biz

www.comedesign.de