Nächster Akt im Sanierungsdebakel: Das Stuttgarter Theaterpublikum hat weiter keine Gewissheit, wann das Schauspielhaus am Eckensee wiedereröffnet wird. Am Dienstag hat die Bühnentechnik von externen Sachverständigen nur eine „Teilfreigabe“ bekommen.

Stuttgart - Die große Erleichterung will sich nicht einstellen, weder im Ministerium noch im Theater. Im Gegenteil: im Schauspielhaus am Eckensee ist man nach all den Jahren der verpfuschten Sanierung mittlerweile fest auf Skepsis abonniert. So jedenfalls scheint die Stimmung zu sein, hört man in den Betrieb rein. Und ob die am Dienstag gefallene Entscheidung daran etwas ändern kann, ist mehr als fraglich: Nachdem die Steuerung der Ober- und Untermaschinerie zu Wochenanfang erneut auf Herz und Nieren geprüft worden ist, haben die Sachverständigen nur eine „Teilfreigabe“ der Bühnentechnik genehmigt. Die Zitterpartie geht also weiter – und noch kann niemand verbindlich sagen, ob das Schauspielhaus in dieser Saison tatsächlich wiedereröffnet werden kann.

 

Diese Unsicherheit findet ihren Ausdruck auch in den dürren Worten, mit denen die Teilfreigabe am Dienstag bekannt gegeben worden ist. In der Mitteilung des für die Renovierung zuständigen Finanzministeriums heißt es lapidar, dass die „externe Sachverständigenprüfung zu einer Teilfreigabe der Bühnentechnik geführt habe“. Da der technische Probenbetrieb deshalb in einer Woche beginnen könne, sei eine „valide Aussage über die technische Funktionsfähigkeit und Stabilität der Untermaschinerie im Mai möglich“. Obwohl mithin also noch alles offen ist, zeigt sich das Ministerium doch optimistisch, „dass es gelingen werde, den Rückumzug ins Schauspielhaus rechtzeitig abzuschließen“. Auch das Sschauspiel, heißt es weiter, halte dies für möglich: „Alle Beteiligten arbeiten daran, die Baustelle zu einem guten Ende zu bringen und die Wiederaufnahme des geregelten Theaterbetriebs zu ermöglichen“ – so schließt die Pressemitteilung, die nach dem heftigen Streit vor zehn Tagen ganz offensichtlich um Aussöhnung bemüht ist.

Der Intendant schlägt moderate Töne an

Die erneute Technikprüfung durch den Tüv war notwendig geworden, nachdem der erste Übergabetermin Ende Februar abgesagt worden war. Damals weigerten sich die Gutachter, die unter mangelhafter Software leidende Bühnentechnik abzunehmen. Die Gefahr für Leib und Leben sei zu groß, sagten sie sinngemäß und dachten dabei an die Risiken, die bei einer Fehlsteuerung der Maschinen auftreten können. Und nachdem die Sache derart unmissverständlich geplatzt war, platzte auch dem Intendanten Hasko Weber etwas, nämlich „der Kragen“, wie er der StZ damals erklärte. Eine Erregung aus nachvollziehbaren Gründen, denn mit jeder neuen Verzögerung auf der Pannenbaustelle verringert sich in der Tat die Chance, dass er seinen Abschied aus Stuttgart im Stammhaus feiern kann. Zur nächsten Spielzeit wechselt der Intendant nach Weimar ans Nationaltheater.

Nun also wieder keine Freigabe der Bühnentechnik, sondern nur eine Teilfreigabe. Dennoch äußert sich Hasko Weber jetzt moderat: „Wir streben die Eröffnung des Hauses im Juni an“, sagt der Theaterchef, „an uns soll es nicht liegen, sollte der Termin je nicht gehalten werden.“ Wie der Fahrplan zur Theatereröffnung dann konkret aussehen soll, erklärt seine Sprecherin Ingrid Trobitz. Am 18. März, gegenüber der ursprünglichen Planung um drei Wochen verspätet, soll das hauseigene Team die technischen Probenläufe starten, die bis zum 10. Mai dauern werden – und erst dann kann die Intendanz des Schauspiels „valide“, also zuverlässig, mitteilen, ob man noch in der laufenden Saison aus der Spielstätte Nord zurück ins angestammte Domizil ziehen kann.

Wenn ja, dann würde das für fast 30 Millionen Euro sanierte Schauspielhaus am 14. Juni mit Molières „Tartuffe“ eröffnen, einer Koproduktion mit dem Mannheimer Nationaltheater, die dort im Herbst Premiere hatte, in Stuttgart aber noch nicht zu sehen war. Dazu käme die Wiederaufnahme von Sartres „Das Spiel ist aus“ und – last, not least – ein letztes Projekt von Volker Lösch: „Großes Fressen“ zum Sommeranfang am 21. Juni, mit Chor und allem Drum und Dran. „Das zumindest ist unser künstlerischer Plan“, sagt Trobitz und legt Wert auf das Wort „künstlerisch“. Denn ob die Bühnentechnik den Dreierschlag zum Abschluss der Weber-Intendanz tatsächlich zulässt – nun ja, die Erfahrung der vergangenen Jahre hat die Theaterleute gelehrt, mit Prognosen vorsichtig zu sein.

Keine Gewinner, nur Verlierer

Eines steht allerdings fest: Da es jetzt nur zur Teilfreigabe der Bühnentechnik gereicht hat, muss das Schauspielhaus während der Sommerpause auf jeden Fall nachgerüstet werden, um die völlige Freigabe zu bekommen. Und sollte diese Freigabe auch im August / September noch verwehrt werden, könnte der vermaledeite Sanierungsfall sogar den Amtsantritt des Weber-Nachfolgers überschatten. Zur nächsten Spielzeit kommt Armin Petras vom Berliner Gorki-Theater ans Stuttgarter Schauspiel. Träfe er noch immer auf eine unfertige Baustelle, wäre das Fiasko perfekt.

Bundesweit Schlagzeilen hat die Rundum-Sanierung des 1962 eröffneten Theaters ohnehin schon gemacht. Eine Hiobsbotschaft jagte die andere, wobei sowohl der Zeit- als auch der Finanzrahmen des Projekts mittlerweile gesprengt worden sind. Ursprünglich sollten die 2010 begonnenen Arbeiten ein Jahr dauern, jetzt werden es drei Jahre werden. Und auch die auf 24 Millionen Euro veranschlagten Kosten wurden zuletzt mit 28,5 Millionen beziffert, eine Steigerung um fast 20 Prozent.

Diese Sanierung kennt bis jetzt also keine Gewinner. Nur Verlierer. Und der größte davon sitzt im Finanzministerium, das die Baustelle offensichtlich bis heute nicht in den Griff bekommen hat – und wieder nur mit einer „Teilfreigabe“ aufwarten kann.