Nie wurden weniger Ehen geschieden als 1978. Das hat aber nichts damit zu tun, dass sich Eheleute in diesem Jahr besonders gut verstanden hätten.

Stuttgart - Die erste Reform des Ehe- und Familienrechts der damaligen sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt trat am 1. Juli 1977 in Kraft. Nach heutigen Maßstäben klingt das, was da abgeschafft wurde, reichlich skurril. Bis zur Reform gab es die sogenannte Hausfrauenehe: Der Mann war per Gesetz für den finanziellen Unterhalt der Familie verantwortlich und hatte in allen familiären Angelegenheiten das letzte Wort. Die Frau war für den Haushalt und die Kinder zuständig. Berufstätig sein durfte sie nur, wenn ihr Mann damit einverstanden war. Der Gatte durfte sogar gegen den ausdrücklichen Wunsch den Arbeitsvertrag seiner Frau kündigen.

 

Von den ersten Empfehlungen einer Sachverständigenkommission bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vergingen ganze sieben Jahre; der Gesetzesentwurf wurde mehr als zwei Jahre lang beraten. Das neue Familienrecht schaffte die Hausfrauenehe ab und etablierte das sogenannte Partnerschaftsprinzip. Das bedeutet, dass beide Ehegatten gleiche persönliche Rechte und Pflichten haben.

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Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenteilung wurde vor fast genau vierzig Jahren auch das Schuldprinzip abgeschafft, das für den Fall einer Trennung greift. Bis zum Juli 1977 wurde jener Partner unterhaltspflichtig, der die Scheidung verschuldet hatte. Seither muss der wirtschaftlich Stärkere dem weniger gut betuchten Partner Unterhalt zahlen. Besonders diese rechtliche Novelle hat sich in der Statistik niedergeschlagen – und zwar als Allzeittief bei den Scheidungen. Nie wurden in Baden-Württemberg weniger Ehen geschieden als 1978, im Jahr nach Inkrafttreten der Reform (4809), nie weniger standesamtliche Ehen geschlossen (46 943). In den Jahren davor und danach gab es landesweit jeweils rund 3000 Hochzeiten und 6000 Scheidungen mehr.