Drei renommierte Schiedsrichter entscheiden über die Klage des Landes zum EnBW-Deal. Der Mitaktionär OEW glaubt nicht, dass sie erfolgreich sein wird. Es gelte der Grundsatz „Verträge sind zu halten“, heißt es in einem Rechtsgutachten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Paris - Der breiteren Öffentlichkeit, zumal in Baden-Württemberg, dürften die Namen nicht viel sagen. In der Fachwelt aber haben alle drei einen hervorragenden Klang: Karl-Heinz Böckstiegel, Michael E. Schneider und Pierre Tercier gelten gleichermaßen als Koryphäen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.

 

Nun hat das Juristen-Trio über einen Fall zu entscheiden, bei dem es für den Südwesten um viel Geld geht. Es bildet das Schiedsgericht beim Gerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris, das mit der Klage des Landes wegen des EnBW-Deals von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) befasst ist. 834 Millionen Euro fordert die grün-rote Landesregierung vom französischen Staatskonzern Electricité de France (EdF) zurück. So viel nämlich habe Mappus laut einem Gutachten für die EnBW-Aktien zu viel bezahlt – und damit eine nach EU-Recht verbotene Beihilfe gewährt. Die EdF hält die Klage für „Rechtsmissbrauch“ und beantragt, sie abzuweisen.

Verfahren läuft länger als drei Jahre

Zwei der drei Schiedsrichter – namentlich bisher nur teilweise bekannt – haben die Parteien benannt. Vom Land nominiert wurde der deutsche Professor Böckstiegel, jahrelang Vorsitzender der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS). Die EdF setzt auf den Schweizer Rechtsanwalt Schneider, Mitgründer einer renommierten Sozietät in Genf. Vorsitzender ist der Schweizer Professor Tercier, ebenfalls eine prägende Figur in der eidgenössischen Schiedsszene.

Mehr als drei Jahre brütet das Schiedsgericht nun schon über der im Februar 2012 eingereichten Klage, doch bisher ist kaum etwas aus dem Verfahren nach außen gedrungen. Die ob der Erfolgsaussichten skeptische Landtags-CDU fragt zwar immer wieder einmal nach. Die Antworten der Regierung aber empfindet sie meist als unbefriedigend. Erst kürzlich verwies Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) auf einen Antrag des CDU-Abgeordneten Claus Paal hin erneut auf die Pflicht zur Verschwiegenheit, deretwegen man keine Auskünfte erteilen dürfe. Er nannte nur die bisherigen Verfahrensschritte samt Kosten (siehe Infoelement) und versicherte, die Prozessführung durch das Land sei „stets effizient und sachgerecht“ erfolgt. Zuvor war Schmid bereits dem Verdacht entgegengetreten, man spiele auf Zeit, um eine Entscheidung vor der Landtagswahl im März 2016 zu vermeiden. Eine solche Verzögerungstaktik gebe es nicht – warum auch? Die Regierung sei nach wie vor optimistisch, mit ihrer Klage Erfolg zu haben. Koalitionsintern sind aber kaum Signale bekannt, weder in die eine noch in die andere Richtung. Das Schiedsgericht sei eine „black box“, heißt es.

OEW sieht Chancen des Landes skeptisch

Beim zweiten Großaktionär der EnBW, dem Landkreiseverbund Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), sieht man zumindest intern etwas klarer. Von ihrer Anwaltskanzlei, Haver & Mailänder in Stuttgart, haben sich die Landräte 2015 ein Strategiepapier zur Schiedsklage erarbeiten lassen. Der zuständige Anwalt Gert Brandner, ebenfalls ein Experte für Schiedsverfahren, beurteilt die Aussichten des Landes darin nach StZ-Informationen zurückhaltend. Für unwahrscheinlich hält er es, dass das Schiedsgericht den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlege; die beihilferechtlichen Fragen werde es wohl selbst entscheiden. Nicht zu erwarten sei zudem, dass es die Klage bereits wegen dieser Fragen abweisen werde. Zu klären wäre einerseits, ob eine Beihilfe überhaupt grenzüberschreitend gewährt werden kann. Zudem könnte sie auch deshalb ausscheiden, weil Mappus die EdF gar nicht habe unterstützen wollen.

Von den drei möglichen Varianten hält Brandner die Abweisung der Schiedsklage nach wie vor für am wahrscheinlichsten. Den beiden anderen – Rückzahlung eines Teilbetrages oder Rückabwicklung des gesamten Geschäfts – werde das Gericht eher nicht zuneigen. Dadurch nämlich würde der im internationalen Handelsverkehr besonders wichtige Grundsatz verletzt, wonach Verträge einzuhalten sind. Daran zu rütteln komme für die Richter wohl nur in Betracht, wenn der Kaufpreis von 41,50 Euro je Aktie außerhalb einer vertretbaren Bandbreite liege.

Noch ein Gutachten zum Aktien-Wert?

Den Wert der Aktie im Dezember 2010 werde das Gericht vermutlich von einem eigenen Sachverständigen ermitteln lassen, erwartet der Rechtsberater der OEW. Das Land untermauerte die Schiedsklage mit einem Gutachten, nach dem das EnBW-Papier nur gut 34 Euro wert war; fast zum gleichen Ergebnis kam ein Gutachter der Staatsanwaltschaft bei den inzwischen eingestellten Untreue-Ermittlungen gegen Mappus. Mehrere andere Bewertungen hatten den Kaufpreis hingegen eilweise klar bestätigt.

Sollte der vom Schiedsgericht beauftragte Experte den Kaufpreis für deutlich zu hoch halten, erwartet der OEW-Berater, dass das Gericht das Land und die EdF zu Verhandlungen über einen Vergleich ermuntert. Deren Ausgang sei noch schwerer vorherzusagen als der Schiedsspruch. Seine Prognose für den Fall eines Scheiterns: die Richter würden dann eher die Rückabwicklung des Geschäftes anordnen als den Franzosen einen Kaufpreis aufzwingen, zu dem sie nie verkauft hätten.

Urteil noch in diesem Jahr?

Wann mit der Entscheidung des Schiedsgerichts zu rechnen ist, weiß das Land nach eigenem Bekunden nicht. In einem Finanzbericht der EdF heißt es hingegen, sie sei noch im Lauf des Jahres 2015 zu erwarten. Die Herren Böckstiegel, Schneider und Tercier hätten demnach noch vier Monate Zeit.