Jahrelang wurde die Deutsche Bahn bei Ausschreibungen ausgetrickst. Jetzt müssen sich die ersten mutmaßlichen Mitglieder des sogenannten Schienenkartells wegen verbotener Absprachen vor dem Bochumer Landgericht verantworten.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Bochum - Mit weitreichenden Geständnissen hat vor dem Bochumer Landgericht der Strafprozess um das sogenannte „Schienenkartell“ begonnen. Die sechs angeklagten Manager des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine sowie ein Ex-Mitarbeiter von Thyssen-Krupp haben zugegeben, bei öffentlichen Ausschreibungen an Preis- und Quotenabsprachen mitgewirkt zu haben. Opfer war die Deutsche Bahn. Laut Staatsanwaltschaft liegt der Schaden im dreistelligen Millionenbereich.

 

„Ich bin vollumfänglich geständig – dazu stehe ich“, sagte einer der Angeklagten, der bis zur Aufdeckung des „Schienenkartells“ Vorstandsmitglied bei Voestalpine war. Er mache sich noch immer große Vorwürfe, dass er seine Mitarbeiter nicht aus dem Kartellsystem herausgeführt habe. Entstanden sei das System allerdings durch die marktbeherrschende Position von Thyssen-Krupp. Voestalpine sei durch die Übernahme einer Produktionsstätte in Duisburg eine Zwangsehe eingegangen, die sich zu einer Art „Geiselhaft“ entwickelt habe. „Mein Fehler war es, meine Opposition gegen diese Zwangsverbindung aufgegeben zu haben“, sagte der 58-Jährige den Richtern.

Insgesamt sind 14 Manager angeklagt

In einer der größten Wirtschaftsstrafsachen der letzten Jahre sind insgesamt 14 Manager wegen „wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen“ angeklagt, wie es im Juristendeutsch heißt. Seit Montag stehen zunächst sieben Beschuldigte vor Gericht. Der Prozess könnte längere Zeit dauern, denn die Materie ist schwierig. Bisher hat die 6. große Strafkammer des Landgerichts in dem abgetrennten Verfahren acht weitere Verhandlungstermine bis Ende Juni angesetzt.

Das Schienenkartell gilt als einer der größten Fälle illegaler Absprachen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Rund 30 Stahllieferanten hatten sich seit 2001 wettbewerbswidrig abgesprochen, zum Schaden der Deutschen Bahn, anderer Schienenunternehmen und vor allem der Steuerzahler, die Investitionen ins Netz maßgeblich finanzieren. Das Kartell flog im Sommer 2011 auf, nachdem Voestalpine die gesetzliche Kronzeugenregelung nutzte und auspackte. Das Bundeskartellamt verhängte nach umfangreichen Ermittlungen Rekordstrafen von 135 Millionen Euro gegen vier Hersteller und Lieferanten von Schienen, davon mehr als 100 Millionen gegen Thyssen-Krupp. Voestalpine kam mit knapp 15 Millionen Strafe davon, weil die Österreicher maßgeblich zur Aufklärung des Betrugs beigetragen hatten.

Staatsanwaltschaft sieht dreistelligen Millionenschaden

Im Strafprozess wirft die Anklage den Beschuldigten nun vor, durch ihre Preisabsprachen allein der Deutschen Bahn einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe zugefügt zu haben. Voestalpine erklärte auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung, man habe „vollumfänglich“ mit den Behörden kooperiert. Ein Sprecher des Konzerns ließ allerdings offen, inwieweit unternehmensinterne Maßnahmen gegen die beschuldigten Manager ergriffen wurden.

Für die beteiligten Stahlkonzerne hatten die illegalen Absprachen bereits teure Konsequenzen. Neben den Rekordbußgeldern mussten sie auch hohen Schadenersatz zahlen. Die Deutsche Bahn verklagte die Unternehmen zivilrechtlich auf mehr als 500 Millionen Euro Schadenersatz und setzte schließlich gegen führende Beteiligte des Kartells außergerichtliche Vergleiche durch. Allein von Thyssen-Krupp hatte die Bahn mehr als 400 Millionen Euro gefordert. Der Konzern verweigerte zunächst eine Zahlung, lenkte dann aber ein. Auch hier ging Voestalpine voran und zahlte rund 50 Millionen Euro. Das erhöhte den Druck auf den skandalgeschüttelten deutschen Konkurrenten Thyssen-Krupp, sich ebenfalls zu einigen. Das tschechische Unternehmen Moravia lehnte eine Entschädigungszahlung ab, die Bahn hat deshalb nach eigenen Angaben die Geschäftsbeziehung zum Lieferanten abgebrochen.