Kann Baden-Württemberg künftig noch genügend Zugleistung bei der DB bestellen? Bis Ostern muss das Land klären, wie es an mehr Finanzmittel kommt.

Stuttgart - Wer ein Taxi bestellt, muss in der Regel für die gefahrenen Kilometer bezahlen. Bei den Nahverkehrszügen ist es ganz genauso. Das Land bezahlt je nach Vertrag zwischen sieben und zehn Euro je Kilometer, den ein Zug zurücklegt. Die Schienenverkehrsgesellschaften lassen die Züge rollen. Den Löwenanteil übernimmt dabei die DB Regio. Weit mehr als 40 Millionen Kilometer legen ihre Züge jedes Jahr im Land zurück. Wenn die privaten Gesellschaften wie die Hohenzollerische Landesbahn hinzugezählt werden, kommen rund zehn Millionen sogenannte Zugkilometer zusammen. Dafür bezahlt das Land im laufenden Jahr 703 Millionen Euro.

 

Das Geld für den Schienenpersonennahverkehr erhält das Land seit der Bahnreform in den Jahren 1994/1995 vom Bund. Aktuell sind das rund 740 Millionen Euro, die in eigener Verantwortung – und natürlich – unter Einhaltung der bestehenden Verträge ausgegeben werden können. Von diesem Geld blieben bis 2009 rund 100 Millionen Euro übrig, die das Land in andere Projekte investiert. Dazu gehören die Verbundförderung, ein Bahnhofsmodernisierungspro-gramm, die Beteiligung an Verkehrsprojekten der Stadt Stuttgart, die Planungskosten für die Elektrifizierung der Südbahn oder die Beteiligung am Ausbau der Gäubahn: alles Verpflichtungen, die sich nicht kurzfristig absagen lassen. 2012 kostet das 65 Millionen Euro.

Wenn die Kasse leer ist, müssen Züge abbestellt werden

Hinzu kommt ein Finanzierungsanteil für Stuttgart 21, der im laufenden Jahr 15,555 Millionen Euro betragen soll, dann auf 33,555 Millionen ansteigt und zwischen 2014 und 2016 auf jährlich 43,555 Millionen Euro kommt. Die Gesamtsumme der bis 2019 aus diesem Topf zu leistenden Zahlungen für das Großprojekt liegt bei 286 Millionen Euro. Doch dazu sieht sich das Ministerium nicht mehr in der Lage.

Wenn nun Kostensteigerungen bei der Energie oder der Nutzung von Schienen und Bahnhöfen die Kasse leeren, gibt es eine naheliegende Möglichkeit zu sparen: Man lässt weniger Züge rollen, man bestellt sie ab, wie die Eisenbahner sagen. Sollte es so weit kommen, wäre das nicht das erste Mal. Zuletzt musste das Verkehrsministerium im Jahr 2007 diese Notbremse ziehen, weil der Bund die Regionalisierungsmittel gekürzt hatte. Damals ging es um 2,2 Millionen Zugkilometer, die gestrichen wurden. Die Empörung war groß unter den Bahnreisenden im Land. Zwar konnten Streckenstilllegungen vermieden werden, aber weggefallen sind beileibe nicht nur wenig genutzte Zügen zu später Stunde. Selbst gut frequentierte Verbindungen im Berufsverkehr wurden damals gekappt.

Ein Szenario soll aufzeigen, wo gestrichen werden kann

Heute lautet die Zahl des Schreckens neun Millionen Zugkilometer. Das wären rund zwölf Prozent der Züge im Land und der Region Stuttgart. Diese Zahl macht derzeit im Verkehrsministerium die Runde. Es wird bereits erwogen, die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft zu beauftragen, ein Szenario auszuarbeiten, bei dem die Züge in solchen Streichungsplänen aufgelistet sind. Um die Größenordnung deutlich zu machen, genügt ein Blick auf bestehende Verbindungen. Wenn kein einziger Zug mehr auf der Tauberbahn Crailsheim-Lauda- Wertheim führe, würde das pro Jahr eine Million Zugkilometer zum Sparziel beisteuern. Auf der Strecke Stuttgart-Plochingen-Reutlingen-Tübingen legen die Züge pro Jahr etwas mehr als 2,5 Millionen Kilometer zurück.

Der große Verkehrsvertrag zwischen dem Land und der DB Regio umfasst 40 Millionen Zugkilometer. Er wurde 2003 abgeschlossen und läuft bis Oktober 2016. Darin ist das Verfahren bei Abbestellungen genau geregelt. So dürfen für das Jahr 2013 zunächst nur 1,3 Millionen Zugkilometer abbestellt werden. Eine Einigung darüber hinaus außerhalb des Vertrags wird im Ministerium nicht ausgeschlossen. Noch ein Passus: für jeden Kilometer, der nicht mehr gefahren wird, werden dem Land ungefähr sieben Euro gutgeschrieben, obwohl der gefahrene Kilometer derzeit zehn Euro kostet. Die DB argumentiert mit Fixkosten für Schienen und Bahnhöfe, die auch bei einer geringeren Auslastung einer Strecke anfallen. Deswegen müssen extrem viele Züge gestrichen werden, um einen deutlichen Spareffekt zu erzielen.

Grüne und SPD kritisieren seit langem den Vertrag mit der DB

Der Verkehrsvertrag wird von Grünen und SPD seit Langem kritisiert. „Zu teuer und somit schlecht für das Land“, lautet deren Meinung. Verbesserungen sind in der Tat möglich, wenn Strecken ausgeschrieben werden. Dann – das zeigen viele andere Abschlüsse – lassen sich deutlich niedrigere Preise für den einzelnen Zugkilometer erzielen. Die Regierung bereitet derzeit entsprechende Ausschreibungen vor. „Vor 2017 kann nicht viel geschehen“, hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vor Kurzem gesagt: „Die DB wird ungern aus einem Vertrag vorzeitig aussteigen, von dem sie weiß, dass sie ein Drittel mehr Geld bekommt als bei marktgerechten Preisen.“