Milliarden steckt der Bund in den Ausbau von Schienen. Baden-Württemberg aber fühlt sich benachteiligt. Minister Hermann glaubt den Grund für den spärlichen Geldfluss zu kennen: S 21.

Stuttgart - Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht beim Ausbau des Schienennetzes in Baden-Württemberg einen riesigen Nachholbedarf. In den vergangenen 20 Jahren habe der Bund mehr als 32 Milliarden Euro in die Bundesschienenwege gesteckt. Auf Baden-Württemberg seien dabei nur 1,6 Milliarden Euro entfallen, erklärte Hermann am Dienstag in Stuttgart. Das seien weniger als fünf Prozent, obwohl der Südwesten einen Anteil am Schienennetz von zehn Prozent habe. Hermann führte das Bahnprojekt Stuttgart 21 als Grund dafür an: Offensichtlich sei der Bund der Auffassung, der Südwesten bekomme schon S 21 und deshalb weniger für andere Projekte.

 

Baden-Württemberg schlägt nun Projekte mit einem Volumen von rund zehn Milliarden Euro für den neuen Bundesverkehrswegeplan vor, der 2015 vorgelegt werden soll. Der Großteil besteht aus Vorhaben, die bereits im alten Plan aufgeführt waren, aber bislang nicht realisiert sind. „Wir starten mit einem unglaublichen Rest an nicht eingelösten Projekten“, sagte Hermann. So sei auf der deutschland- und europaweit wichtigen Rheintalstrecke in mehr als 25 Jahren erst ein Drittel der Vorhaben verwirklicht. Hier geht es nach Angaben des Ministers um den Ausbau von dritten und vierten Gleisen. Allein hier müsse noch für etwa vier bis fünf Milliarden Euro gebaut werden.

Auf vielen Strecken gibt es Investitionsbedarf

Zudem gebe es auf der Bahnstrecke Stuttgart-Ulm noch einen Investitionsbedarf von mindestens drei Milliarden Euro. Hinzu kämen zahlreiche kleinere Projekte und die Elektrifizierung von Strecken. „Nur im Rheintal ist überhaupt gebaut worden in den letzten 15 Jahren. In allen anderen Bereichen ist praktisch nichts geschehen“, monierte der Grünen-Politiker. Die großen Summen habe der Bund vor allem in Verkehrsprojekte zur deutschen Einheit gesteckt, so beispielsweise in die Bahnstrecke München - Nürnberg - Erfurt - Berlin.

Die Verkehrspolitikerin der CDU-Landtagsfraktion, Nicole Razavi, forderte Hermann auf, sich beim Bund aktiv für mehr Mittel für Baden-Württemberg einzusetzen. „Wenn er einmal mehr Stuttgart 21 dafür verantwortlich macht, dass auf anderen Strecken die Infrastruktur nicht ausgebaut ist, zeigt dies deutlich, dass er seinen Frieden mit S 21 einfach nicht gemacht hat.“

Sowohl Hermann als auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sehen die Finanzierungsprobleme als Beleg dafür, dass der Staat seine Einnahmen über Steuererhöhungen steigern müsse. SPD und Grüne haben sich in ihren Programmen zur Bundestagswahl dafür ausgesprochen, Steuern und Abgaben für Wohlhabende anzuheben.